„Der Kunde kann den Euro nur einmal ausgeben“

Von | 26. August 2014

Wer viele verschiedene Dinge auf einmal besorgen möchte, der wird in Pankow wahrscheinlich das Rathaus-Center in der Breite Straße ansteuern. Dort gibt es unter anderem eine Sparkasse, Ärzte, Supermärkte, Drogerien und einen Elektronikmarkt. Es ist praktisch, im Rathaus-Center einzukaufen, schließlich kann man hier gut parken und findet viel auf einem Fleck. Doch das Center ist vergleichsweise eng, nicht wirklich gemütlich und in einigen Bereichen ein bisschen ramschig. Wird sich daran etwas ändern? Wie sieht die Zukunft dieses Ungetüms im Herzen Pankows aus?

Cengiz Herrmann ist Chef des Rathaus-Centers. Der gebürtige Kölner und Familienvater ist seit zwei Jahren für das Pankower Einkaufszentrum zuständig. Nach dem Abitur und einer Ausbildung zum Kaufmann studierte Herrmann Betriebswirtschaft und arbeitete bei einer Commerzbanktochter mit Immobilienfonds in aller Welt zusammen. Nun ist der 45-jährige Bereichsleiter Asset & Poperty Management der DVI Deutsche Verwaltungsgesellschaft für Immobilien mbH, der das Center gehört.

Cengiz Herrmann

Cengiz Herrmann (Foto: privat)

Herr Herrmann, seit wann gibt es das Rathaus-Center und wer kauft hier ein?

florakiez.de: Das Einkaufszentrum gibt es schon seit fast 15 Jahren und meine Mitarbeiterin Frau Frankl kümmert sich seitdem um das Tagesgeschäft. Was wir merken, ist, dass wir eine starke Frequenz aus dem unmittelbaren Umfeld haben. Dazu zählen auch die relativ vielen Seniorenwohnheime, Seniorenstifte und ähnliches. Auch in unseren Kundenauswertungen zeigt sich, dass wir eine gute Bandbreite von Menschen bedienen, die wir liebevoll Silverkids nennen. Menschen die 55+ sind, teilweise auch 65+, also Menschen im Rentenalter. Daneben kaufen bei uns sehr viele junge Familien mit sehr kleinen Kindern ein. Etwas seltener tauchen bei uns Teenager auf.

Wie könnte man das ändern?

Ich habe eine Wifi-Zone einrichten lassen, den Internetauftritt überarbeitet und wir bedienen nun soziale Medien: youtube, flickr und facebook. Wir gehen das in kleinen Schritten an. Der große Fokus ist momentan aber, die Kundschaft, die wir haben, noch einmal genau zu untersuchen und für unser Umfeld hier das beste Angebot zu bieten.

Inwiefern?

Wir möchten uns ganz bewusst eher als Nachbarschafts-Center entwickeln. So haben wir beispielsweise mit dm einen Mietvertrag als zweitem Drogeriemarkt abgeschlossen. Weil die Kunden sich das gewünscht haben, sie möchten einfach bei den Waren des täglichen Bedarfs ein großes Angebot haben. Deswegen finden Sie auch den Bio-Supermarkt und das Segment „Beauty“. Punktuell haben wir auch Mode-Highlights.

Das Center am frühen Samstag morgen

Das Center am frühen Samstagmorgen

Wie grenzen Sie sich gegen die Schönhauser Allee Arcaden ab?

Die Arcaden sind ein typisches Einkaufszentrum, das ein jüngeres Publikum anspricht und ein entsprechendes Shop-Angebot hat. Wir können und wollen nicht mit einem doppelt so großen Center konkurrieren, das ein doppelt so großes Angebot hat. Wir bieten kurze Wege, Bequemlichkeit und wollen die Kunden, die wir bedienen auch auf der Seite Information und Nachbarschaft zufrieden stellen. So eine lokale Aktion wie „Pankow erleben“ machen die Mitbewerber nicht. Sie betreiben viele Center in ganz Deutschland, können Aktionen zentral einkaufen und dann wandern lassen. Das tun wir nicht. Wir haben fünf Center in Deutschland, arbeiten sehr lokal und schauen uns unsere Kunden sehr genau an. Wir wollen unser Profil schärfen.

Arbeiten Sie auch mit den kleinen Geschäften im Kiez zusammen oder läuft das in Konkurrenz?

Wir haben Kontakt zu den örtlichen Vereinen, landläufig könnte man sie Heimatvereine nennen. Das geht über das Thema hinaus, dass wir denen etwas spenden. Wir werden zu deren Jahresveranstaltungen eingeladen. Wir suchen das Gespräch. Wir haben auch zu Neubauprojekten, wie sie Herr Krieger am S-Bahnhof plant, eine klare Meinung, eine Position.

Wie ist denn Ihre Meinung zum Krieger-Projekt?

Ich habe viel Erfahrung mit Shoppingcentern in aller Welt. Ich habe dabei immer die gleichen Fehler gesehen. Beispielsweise in Spanien oder Portugal empfangen die Kommunen die Investoren mit offenen Armen. Denen wird versprochen, dass ein Einkaufszentrum gebaut wird und 2.000 Arbeitsplätze geschaffen werden. Das ist aber nicht die Wahrheit. Die Wahrheit ist, dass sie 2.000 Arbeitsplätze verlagern. Glauben Sie es mir. Der Kunde kann den Euro nur einmal ausgeben. Wenn Sie jetzt hier nochmal 2.000 Arbeitsplätze schaffen, dann nehmen Sie die irgendwo aus den Randbezirken oder hier aus der Ecke weg. Das ist bei dem vorgenannten Umstand leicht nachzuvollziehen. Und sie werden deswegen auch nicht mehr Kunden haben. Die Fluktuation von außen in die Kernbereiche, in die Center, wird deswegen nicht zunehmen – denn das Einzugsgebiet bleibt gleich. Durch die Hinzunahme eines Centers wird nur die Schnittmenge der überlagerten Einzugsgebiete größer, aber die Frequenz in den Centern mit der größten Schnittmenge kleiner!

Es ist eine Umverteilung?

Ja, eine reine Umverteilung. Ein reiner Verdrängungswettbewerb. Machen wir uns da nichts vor.

Braucht Pankow denn noch ein Einkaufszentrum?

Nein. Der Bezirk ist nicht beliebt, weil es ihm an Einkaufszentren mangelt, sondern weil er als Wohnstandort, als Rückzugspunkt, als Lebensqualität-Standort gefragt ist. Das verbessern Sie nicht, indem Sie ein neues Einkaufszentrum zulassen. Ganz im Gegenteil, Sie reißen hier Lücken. Sie verlagern. In der Florastraße haben sich in den letzten Jahren neue Geschäfte angesiedelt, es hat sich ein Kiez, es hat sich Heimat gebildet. Das zerreißen Sie mit einem neuen Einkaufszentrum. Als Investor werte ich die Kaufkraftkennziffer aus und gucke, was fehlt und fülle das dann mit Filialisten, nicht mit kleinen, individuellen Geschäften. Denn die Filialisten schließen langfristige Verträge ab, die finanziell abgesichert sind.

Ist da nicht die Politik gefragt?

Die Politik möchte das nicht wissen. Die Verantwortlichen wollen mit einem neuen Einkaufszentrum in die Geschichte eingehen. Menschlich kann ich das verstehen, als Fachmann aber nicht akzeptieren. Weil es unsinnig ist.

Und die Verlagerung ins Internet? Wie gehen Sie mit der Herausforderung um?

Die Konkurrenz wird nicht kleiner. Ich bin der Meinung, dass es in Berlin schon jetzt zu viele Einkaufszentren gibt. Trotz des Tourismus. Die Online-Konkurrenz verdrängt auch. Das Ladensterben sieht man schon überall. Hier muss die Politik aktiv werden und prüfen, ob beispielsweise Amazon auch ordentlich Steuern zahlt oder das über den Umweg Luxemburg eben nicht tut. Das ist ein großes Problem, weil es den Wettbewerb verzerrt. Auch hinsichtlich der Öffnungszeiten hat der stationäre Handel in Deutschland gegenüber dem Internet mit seinem 24/7-Angebot einen Nachteil übrigens auch auf Kosten vieler tausend Klein- und Kleinstunternehmer im Zustelldienst mit Netto-Stundenlöhnen unterhalb der Hartz-IV-Grenze. Der stationäre Handel hingegen ist meist an den Tarifvertrag im Einzelhandel gebunden.

Warum gibt es im Rathaus-Center keine Post?

Das sind wir schon oft gefragt worden. Wir sind dran. Wir suchen das Gespräch, um wieder eine Filiale reinzubringen. Es gab bereits vor 15 Jahren unsererseits Bemühungen, eine Postfiliale anzusiedeln. Damals hatte die Post kein Interesse. Viele Jahre hatte ein Mietpartner im Center im Auftrag der Post Basisdienstleistungen im Ladenlokal erbracht.

Die Ankermieter, also jene, die Kunden anziehen, im Rathaus-Center sind?

Kaufland, C&A, Medimax – die mit den großen Flächen.

Und wo bleibt H&M?

Als das Center errichtet und erweitert worden ist, wollte H&M nicht nach Alt-Pankow kommen, weil es im Einzugsgebiet bereits eine Filiale gab. Ob das heute immer noch so ist, ist die Frage. Das werden wir demnächst austesten können, wenn wir das Center vielleicht mal erweitern.

Gibt es da konkrete Pläne?

Es gibt in Pankow ein Zentrenkonzept. Und das geht davon aus, dass eine gewisse Zahl von Einzelhandels-Quadratmetern fehlt. Und da sage ich, dann erweitern wir doch mal um 5.000 bis 10.000 qm.

Und wohin?

Das werden wir dann sehen. Das kann ich Ihnen noch nicht sagen. Aber es ist nicht unrealistisch, dass wir erweitern. Ein Bauantrag steht kurz vor der Abgabe.

Und was passiert bis dahin?

Wir haben schon eine ganze Menge verändert. Viele neue Shops eingeführt und Shop-Erneuerungen vorangetrieben. DM, Varon und der Hörgeräte-Laden ist auch neu. Demnächst kommen noch ein Markenschuhgeschäft und ein Anbieter für Beauty- und Stylingprodukte dazu. Außerdem wird Kaufland umfassend sanieren. Der Laden ist ja schon ein paar Jahre alt. Kaufland hat ein Revitalisierungsprogramm und wird dort viel Geld reinstecken.

Sie haben das Parkhaus als großen Mieter erwähnt. Im Florakiez gibt es einen erheblichen Mangel an Parkraum. Man kann zwar privat einen Dauerstellplatz im Center mieten, außerhalb der Öffnungszeiten kommt man aber nicht an das Auto heran. Warum?

Ist das wirklich so? Das wundert mich. Da muss ich mal mit dem Betreiber sprechen. Vielleicht kann er ja über eine Mehrvermietung von Parkplätzen an Privatleute den nötigen Wachmann finanzieren.

Das Gespräch führten Natalie Tenberg und Hanno Hall