Mieter darf unwirtschaftliche Dämmung ablehnen

Von | 7. März 2015

Noch gänzlich unsaniert: Florapromenade 21

Wenn die geplante Wärmedämmung einer Fassade unwirtschaftlich ist, müssen Mieter die Modernisierung nicht hinnehmen. Dies hat das Amtsgericht Pankow/Weißensee entschieden. Im konkreten Fall hatte die Wohnungsbaugesellschaft Gesobau die Mieter einer Wohnung in der Pestalozzistraße 4 auf die Duldung von Modernisierungsmaßnahmen verklagt. Das Gericht gab der Vermieterin in einigen Punkten Recht, stellte sich in Sachen Dämmung aber auf die Seite der Mieter. Das Vorhaben sei, wie der Austausch der vorhandenen Fenster gegen neue Kunststofffenster, nicht zumutbar.

Das Gericht begründetet die Entscheidung damit, dass den Mietern auch in zehn Jahren immer noch keine Kosteneinsparung entstehen würde. Die Gesobau hatte dargelegt, dass sich durch die Dämmung und neue Fenster eine monatliche Einsparung von Heizkosten in Höhe von 68,78 Euro ergäbe und gleichzeitig eine Mieterhöhung um 249,29 Euro angekündigt. Selbst wenn sich der Heizölpreis verdoppeln würde, stünde der Mieterhöhung nur eine Ersparnis von dann 147,56 Euro gegenüber. Damit ist die Maßnahme nach Auffassung des Gerichts unwirtschaftlich. Die Energieeinsparverordnung EnEV lasse Ausnahmen von der Verpflichtung zur Dämmung zu, wenn bei bestehenden Gebäuden innerhalb einer angemessenen Frist die Kosten nicht durch Einsparungen erwirtschaftet werden können.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig, beide Parteien wollen in Berufung gehen.

Durch den seit Jahren schwelenden Streit um die Modernisierung und das Engagement des Pankower Mieterprotests ist die Pestalozzistraße 4 über die Grenzen des Bezirks hinaus bekannt geworden. Der Gesobau gehören in Pankow etliche Häuser, bei denen umfangreiche Arbeiten geplant sind. Im Florakiez betrifft dies beispielsweise die Florapromenade 21.

Hanno Hall

Lebt seit 1997 in Berlin und seit 2010 im Kiez. Verantwortet ntv.de und die ntv Apps. Interessiert sich für Baustellen, Flughäfen und Politik. Geht zu Fuß, fährt Rad, BVG und Auto.

8 Kommentare zu “Mieter darf unwirtschaftliche Dämmung ablehnen

  1. Quarso

    Das wäre ja mal ein Lichtblick.
    Ich kann diesen ganzen „Dämmungswahn“ nicht nachvollziehen.
    Ich wohne selbst in einem Sanierungsbedürftigen Altbau mit alten Doppelfenstern aus Glas mit Holzrahmen. Wir zahlen ca. 50€ im Monat an Gas für Heizen und Kochen. Selbst wenn die Dämmung die Heizkosten auf 0 Senken würde, wäre die Mietpreiserhöhung über längen höher, als die Einsparungen.
    Ich frage mich immer wieder wie schlecht ein Haus gedämmt sein muss, damit sich die neue Dämmung lohnt?
    Zumal diese neuen Dämmungen meist sehr umstritten sind in Hinsicht auf Wirkung, Brennbarkeit und Schimmelverursacher. (Quelle: http://www.pankower-allgemeine-zeitung.de/2014/10/02/weises-gold/)

    1. Sebastian von Oppen

      Dämmen ist besser als sein Ruf und diese Diskussion um den Dämmwahn wird sehr emotional geführt.
      In Ihrem Fall vermute ich mal als jemand der sich beruflich mit dem Thema befasst, dass eine Dämmung wirklich unwirtschaftlich wäre. Die Berliner Gründerzeithäuser sind in Sachen Nachhaltigkeit einfach unschlagbar und jeder Immobilienhai sollte den Hausbesetzern der 80er Jahre auf Knien danken, dass die damals in anderen Stadtteilen den Abriss dieser hochwertigen Bausubstanz verhindert haben. Ich stimme Ihnen also komplett zu!
      In der allgemeinen Diskussion geht aber unter, dass Dämmen durchaus sinnvoll ist und gerade die Gebäude aus den 50er 60er Jahren hier durchaus Nachholbedarf haben. Damals kostete das Öl halt nichts. Bei Neubauten halten sich die Mehrkosten in Grenzen und wenn man sowieso baut ist das eine sehr gute Sache solange man auf die ökologischen Aspekte des Dämmmaterials Rücksicht nimmt.

      1. Grit Lemke

        Das sehe ich genau so und die Mieter der Gesobau (Pestalozzistraße 4, siehe Urteil oder Florapromenade 21) versuchen schon seit 2 Jahren, die Unwirtschaftlichkeit bei diesen Altbauten deutlich zu machen. Bei Gebäuden jüngeren Alters, die Sie nennen, halte ich das auch für sinnvoller. Es muss in jedem Fall individuell geschaut und beurteilt werden. Das würde auch jeder Hausbesitzer so machen, eine Kosten-Nutzen-Analyse eben.
        Leider ist unser Vermieter auf diesem Ohr besonders taub. Und wir als Mieter haben rechtlich keine Handhabe. Der Vermieter will das maximal Mögliche umsetzen um dann später maximal mögliche Mieten zu erzielen. Das lohnt sich vor allem in unserer Gegend.

        1. Sebastian von Oppen

          Schonmal mit dem Mieterverein gesprochen? Die müssten das Thema doch kennen.

  2. Poltergeist rettet Florakiez!

    Diese Dämmung finde ich sowieso doof. Damit werde ich freiberuflich eingeschränkt.
    Dann kann ich klopfen und poltern bis mir Flügel wachsen, schon mal darüber nachgedacht?

    Buhu – ich bin Poltergeist und liebe die Weiße Villa!

  3. Grit Lemke

    Auch die Mieter der Florapromenade 21 wehren sich schon seit 2 Jahren vor allem gegen die geplante Fassadendämmung. Wir begrüßen das Urteil des Amtsgerichts Weißensee und hoffen auf einen erneuten Erfolg des Mieters in der nächsten Instanz.
    In Altbauten wie unserem oder anderen hier in Pankow wird die Energieeinsparung, wenn es überhaupt eine gibt, in keiner Relation zu den Kosten einer Fassadendämmung stehen (vorbehaltlich der Risiken und auch der gesamten CO2-Billanz der Dämmung mit Styropor).
    Wir Mieter zahlen also auf immer und ewig völlig unsinnige Maßnahmen. Unser Vermieter könnte sich nach EnEV sogar befreien lassen, er muss diese unwirtschaftlichen Maßnahmen nicht durchführen. Wir Mieter haben dieses Recht nicht. Es wird Zeit, dass hier mal eine rechtliche Gleichstellung erfolgt.

    1. Sebastian von Oppen

      Im Falle der Florapromenade 21 verstehe ich auch nicht warum der Denkmalschutz da überhaupt mitmacht. Ich drücke Ihnen die Daumen beim Klagen!
      Ich nehme gelegegentlich an Veranstaltungen des Bundesbauministeriums teil und habe festgestellt das auf der hohen Ebene das Thema durchaus angekommen ist und man die energetische Sanierung nicht vor baukulturelle, denkmalpflegerische Aspekte stellen darf.
      Es gab da mal ein Werbplakat des Ministeriums mit einem Altbau dem eine Wollmütze übergezogen wurde. Das bereut man dort wohl mittlerweile. Die Chancen stehen also gut, dass zugunsten der Mieter entschieden wird zumal das Wirtschaftlichkeitsgebot auch in der Energieeinsparverordnung steht.

      1. Grit Lemke

        Wir hatten bereits Kontakt zur Denkmalbehörde und eine Dame hatte sich sogar die Mühe gemacht, sich unser Haus anzusehen. Leider ohne Erfolg. Es gibt zu wenige Besonderheiten, eher einfache Bauart usw. Schade ist wirklich, dass unser Vermieter das Haus über Jahrzehnte hat verkommen lassen. Was nicht mehr vorhanden ist, kann man auch nciht mehr unter Denkmalschutz stellen. Generell ist es aktuell eher schwer, ein Gebäude noch auf die Denkmalschutzliste zu bekommen. Die Liste ist eigentlich schon seit Jahren geschlossen.
        Ein anderes Haus, die Kavalierstraße 19/19A versucht dies ebenfalls. Dort ist die Substanz noch wesentlich besser erhalten als in der Florapromenade 21. Am kommenden Donnerstag gibt es dort eine Pressekonferenz zum Thema „energetische Sanierung von Altbauten“ (www.kavalierstraße19.de).

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