Thürmann am Garbatyplatz |
Heute Vormittag wollte ich nur kurz bei Edeka hereinspringen und eine Packung Bio-Milch besorgen, als ich dort auf den nächsten großen Food-Trend aus New York traf. Auf ein Gebäck, das die schlechten Eigenschaften des Croissants (viel Fett) mit den schlechten Eigenschaften des Donuts (viel Zucker, noch mehr Fett) kombiniert und folglich „Cronut“ heisst. Erfunden wurde es vor nicht allzu langer Zeit von Dominique Ansel in Manhattan und muss dort seinen ähnlichen Erfolg erleben wie Mustafas Gemüsekebap in Kreuzberg. Als Indikator dafür werden jedenfalls die Schlangen gedeutet, die sich vor dem Geschäft in Soho bilden (wie beim längst vergessenen Bubble Tea). Weil Kreuzberg nur ein paar S-Bahnstation entfernt liegt, New York aber so verdammt weit weg und schwer zu erreichen, hat der Massenbäcker Thürmann den Cronut nach Berlin geholt, wo er, freilich aus rechtlichen Gründen, Curlyssant heisst.
Kleine Einleitung |
In Pankow muss zum Glück keine lange Schlange auf den Cronut aufmerksam machen, ein Schild in Stars-and-Stripes-Anmutung auf der Kuchentheke tut es auch. Während ich darauf warte, meine Bestellung abzugeben, beschwert sich eine alte Dame mit Einkaufstrolley bei der Verkäuferin über das ihrer Meinung nach geschrumpfte Sortiment. Warum es den Plunderkuchen nicht mehr gäbe, fragt sie und die Verkäuferin behauptet, der laufe zu schlecht. Immer das, klagt sie weiter, was die Menschen gerne essen, würde abgeschafft und was würden die Leute denn essen, wenn keinen Plunderkuchen? Im nächsten Moment sieht sie, wie ich einen Curlyssant/Cronut mit Cremefüllung bestelle und dafür 1 Euro und 99 Cent zahle.
Das ist der Cronut |
Zuhause betrachte ich das Gebäck. Er sieht missraten aus, als habe der Bäcker nicht gewusst, was er nun wirklich backen solle, ist mit Zuckerguss bepinselt und fester in der Konsistenz als angenommen, die Gabel läßt sich kaum durch den Teig stechen. Also in die Hand damit. Erstaunlicherweise schmeckt der Cronut eben nicht nach einer Innovation, sondern weckt eher Erinnerungen, an die rheinischen Krapfen meiner Kindheit oder eben an schnöde Berliner Pfannkuchen. Dabei fehlt dem Teig die Fluffigkeit eines Croissants und mit jedem Bissen fühlt man sich dem Diabets-Typ-II näher.
Da Nostalgie eine besonders perfide Art des Kundenfangs ist, glaube ich, dass der Cronut/das Curlyssant noch lange den armen, alten Plunderkuchen aus der Thürmann-Theke am Garbatyplatz verdrängen wird. Ein bisschen gastronomischen Austausch gibt es übrigens zwischen New York und Deutschland auch in die andere Richtung, inzwischen hat eine Duisburger Berliner Erfindung dort Beachtung gefunden, nämlich die Currywurst.