Kindesmissbrauch: Ein Informationsabend mit dem Landeskriminalamt

Von | 19. Februar 2014
Seit Ende letzten Jahres kursieren diverse Mails, die von Eltern in Pankow von einer Schule zur nächsten weitergeleitet werden. Sie berichten von mehreren Fällen, in denen Kinder von Fremden angesprochen wurden. Durch die Polizei bestätigt ist bisher, dass ein Paketbote zwei Kinder in ihren Wohnungen sexuell belästigt haben soll. Für die Schulen eine schwierige Situation. Keiner der Fälle hat im direkten Umfeld einer Schule stattgefunden, doch die Sorge der Eltern ist so groß, dass auch sie reagieren müssen.
So hat die Gesamtelternvertretung der Arnold-Zweig Grundschule am Montag zu einem Informationsabend mit dem Kriminalhauptkommissar Michael Pawellek geladen. Er leitet eine Abteilung für Sexualdelikte im Landeskriminalamt. 70 Interessierte kamen in die Aula – vor allem Eltern aber auch Erzieher und Lehrer.An diesem Abend ging es vor allem um sexuellen Missbrauch durch fremde Täter. Die Zahl der angezeigten Übergriffe in diesem Bereich sei über die Jahre relativ konstant geblieben, so dass auch Zahlen von 2006 noch aussagekräftig seien. 642 Anzeigen habe es in Berlin gegeben, rund 320 Tatverdächtige wurden ermittelt und rund 870 Opfer ausgemacht. Auch wenn die meisten Opfer Mädchen waren, sei sexueller Missbrauch kein mädchentypisches Delikt, so Pawellek.

Fremde Täter würden auf drei Arten an ihre Opfer herantreten: Als Exhibitionist, der sich vor dem Kind entblöst; in Form eines Überfalls, was aber sehr selten vorkomme; oder der Täter versucht Kontakt zum Opfer herzustellen, um sein Vertrauen zu gewinnen. Dabei versuche der Täter meistens die Eigenschaften im Kind anzusprechen, die Eltern besonders fördern. So z.B. die Hilfsbereitschaft („Ich habe meinen Schlüssel verloren. Kannst du mir helfen, ihn zu suchen…“) oder die Neugierde („Ich habe zu Hause kleine Kaninchen, eine Playstation,…“).

Präventionsmaßnahmen

Ganz praktisch rät der Hauptkommissar, den Namen und die Anschrift nicht sichtbar an Kleidung oder Ranzen anzubringen, so dass ein möglicher Täter das Kind nicht schon mit Namen ansprechen kann. Außerdem sollten Kinder, die einen Hausschlüssel bei sich haben, diesen verdeckt tragen. Sonst signalisiert dieser Schlüssel, dass hier ein Kind allein zu Hause sein wird. Das gehört zu der Art von Information, die niemals preisgegeben werden sollte.

Vorallem empfiehlt der Hauptkommissar, das Gespräch mit den Kindern zu suchen. Wichtig sei, sie zu stärken, ohne sie zu verunsichern. Am besten lasse sich das einrichten, wenn eine Meldung in der Zeitung steht oder z.B. in der Abendschau läuft. Auch folgende Punkte helfen zur Vorbeugung:

Altersgemäße Aufklärung:
Ein Kind, das sich bewusst ist, dass es einen geschlechtlichen Unterschied zwischen Männern und Frauen gibt, wird nicht allein dadurch geschockt, das auch zu sehen. Außerdem sind Kinder neugierig und wenn sie Fragen zur Sexualität haben, sollten sie auch beantwortet werden. Sonst besteht unter Umständen die Gefahr, dass ihre Neugierde von Tätern ausgenutzt wird.

Vertrauensverhältnis:
Kinder wachsen mit Verboten auf. Kein Kind wird sich jedoch immer an alle halten. Wichtig ist, dass ein Kind dennoch ohne Angst vor Strafe den Eltern etwas anvertrauen kann, auch wenn es gegen Regeln verstoßen hat.

Selbstbewusstsein:
Kinder sollen sich trauen können, „Nein“ zu sagen. Beispielsweise, wenn jemand sie anfasst. Egal ob es ein Fremder ist, oder nur die Tante ein Küsschen geben möchte. Das Kind sollte selbst über diese Berührungen entscheiden dürfen.

Die weitergeleiteten Mails hatten an den Schulen zu heftigen Diskussionen geführt. Die einen sehen darin Panikmache, andere eine sinnvolle Warnung. Der LKA-Beamte rät davon ab, Mails ungeprüft weiterzuleiten. Dies führe zu einer unnötigen Verunsicherung. Gleichzeitig appellierte er an alle Anwesenden, achtsam zu sein. Wer den Verdacht hegt, ein Kind könne im Familienkreis mißbraucht werden, muss aktiv werden. Es gibt genug Hilfsorganisationen, an die man sich wenden kann, nicht nur das Jugendamt und die Polizei, sondern auch Vereine wie Wildwasser. Oft finde der Missbrauch über Jahre hinweg mit schwerwiegenden Folgen für die Betroffenen statt.

Der Informationsabend gab keine genaue Auskunft darüber, ob Pankow bedrohter ist als andere Teile der Stadt. Aber insgesamt, so Pawallek, sei das Risiko gering, von einem Fremden sexuell missbraucht zu werden. Überall in der Stadt seien eigenartige Menschen unterwegs, die Kinder ansprechen. Gleichzeitig sei aber nicht jeder, der ein Kind anspricht, ein Täter. Am wichtigsten ist, dass es niemals die Schuld des Kindes ist, wenn es zu einem Übergriff kommt – auch wenn es vorher Regeln missachtet hat.

Die Berliner Polizei hat eine Liste mit Hilfsorganisationen zusammengestellt.

Autorinnen: Natalie Tenberg und Cathrin Bonhoff

Cathrin Bonhoff

Arbeitet als Journalistin + Sprecherin beim rbb und anderswo. In Berlin wohnt sie seit ihrem 3.Lebensjahr.