Beim ersten öffentlichen Treffen der Initiative „Florakiez erhalten“ gegen den Abriss der „weißen Villa“ war der Versammlungsraum im JUP am Freitag überfüllt. Rund 60 Menschen waren gekommen, um sich über das Vorgehen gegen das geplante Bauprojekt zu informieren. Das sehr bürgerliche Publikum bestand fast ausschließlich aus alteingesessenen Kiezbewohnern. Viele von ihnen aus den unmittelbar an das Grundstück Florastraße 86 angrenzenden Häusern, sowohl Mieter als auch Besitzer und Bewohner von Eigentumswohnungen.
Initiativen-Sprecher Thomas Rötschke informierte über das Treffens mit dem Pankower Baustadtrat Jens-Holger Kirchner. Dem Politiker war ein umfangreicher Fragenkatalog übermittelt worden, den er in einem persönlichen Termin mit der Initiative ausführlich beantwortet hat. Grundproblem ist, dass der langjährige Eigentümer des Villengrundstücks seinen Besitz zu Geld machen möchte. Den Verkauf kann ihm niemand verwehren. Für das Grundstück besteht ein Baurecht nach §34 Baugesetzbuch. Das bedeutet, dass sich ein Vorhaben in die „Eigenart der näheren Umgebung“ einfügen muss. Daran, dass fast alle Bauvorhaben rund um die Florastraße nach §34 genehmigt wurden, lässt sich erkennen, dass der Paragraph den Gegnern einer Bebauung nicht viel nutzt.
Selbst wenn die Villa gerettet werden kann, ist eine Bebauung des vorderen Grundstücksteils entlang der Florastraße grundsätzlich möglich. Die drohende Verschattung der Nachbarhäuser, die Nähe zu der kleinen Grünfläche Pocketpark mit den steinernen Möbeln oder die vermutlich notwendige Fällung der großen Linde auf dem Nachbargrundstück sind keine Hinderungsgründe für eine Bebauung. Ebenso wenig, dass die Bauherren aus Kostengründen keine Auto-Stellplätze schaffen wollen. Der Baustadtrat betonte immer wieder, dass es in Deutschland kein „politisches“ Baurecht gibt, die Verwaltung also nicht nach Gutdünken oder persönlichen Vorlieben entscheidet, sondern immer anhand der Rechtslage.
Völlig hoffnungslos ist die Situation für die Initiative aber trotzdem nicht. Denn die Villa stammt aus dem Jahr 1892 und ist eines der letzten Zeugnisse der Erstbesiedelung der Gegend. Daher wird von den Behörden gerade geprüft, ob ein „Denkmalschutzverdacht“ besteht. Sollte die Villa unter Denkmalschutz gestellt werden, würde das den Abriss und die Bebauung in der geplanten Form verhindern. Außerdem würde eine umfassende Prüfung die momentan laufende Bauvoranfrage in die Länge ziehen. Die Verzögerungskarte können die unmittelbar betroffenen Haus- und Wohnungseigentümer (nicht die Mieter) auch spielen, in dem sie juristisch gegen das Bauvorhaben vorgehen. So könnte das Verfahren in die Länge gezögert und den Bauherren der Spaß an ihrem Vorhaben genommen werden.
Im Publikum saß mit dem Projektsteuerer Günter Rose auch ein Vertreter der potentiellen Bauherren. Um Stellungnahme gebeten, machte er seinen Standpunkt deutlich. Eine Blockrandbebauung entlang der Florastraße sei städtebaulich durchaus sinnvoll, und die Villa halte er weder für schön noch für schützenswert. Von den im Internet gezeigten Bildern sollten sich die Nachbarn nicht abschrecken lassen. Es handele sich nur um eine Visualisierung des Bauvolumens, nicht um finale Entwürfe. Das Haus werde, sollte es gebaut werden, ganz anders aussehen.
Ursprünglich wollte der Bezirk aus den Grundstücken Florastraße 86 und 87 übrigens einen Spielplatz machen und die Villa erhalten. Der Besitzer weigerte sich aber, an den Bezirk zu verkaufen. Daraufhin entstand aus der Not nur der kleine Pocketpark. Der Besitzer der Florastraße 86 wiederum ließ daraufhin aus Protest den damals noch vorhandenen Garten der Villa planieren und machte daraus einen nicht genehmigten Parkplatz, der bis heute besteht.
In einigen Wochen soll es ein neues Treffen der Initiative geben. Wer auf dem Stand der Dinge bleiben möchte, kann sich auf eine Mailingliste eintragen lassen. Auch Florakiez.de wird berichten.
Mehr zum Thema:
Die weiße Villa retten!
Was die neuen Bauherren übersehen: Egal, ob die Villa nun schön ist oder unter Denkmalschutz steht, sie gehört für viele zur Florastraße. Sie abzureißen währe ein Symbol für den Bauwahn im Kiez.
Auch Baugruppen müssen verstehen, dass Sie nicht automatisch willkommen sind.
Es ist doch vollkommen unerheblich, ob es sich um eine Baugruppe handelt. Es könnte doch auch eine Wohnungsbaugesellschaft das Grundstück kaufen und Sozialwohnungen bauen oder ein Investor „hochwertige Eigentumswohnungen“.
Letztendlich ist es gleichgültig, wer sich dort per Blockbebauung verewigt. Am schlimmsten finde ich jedoch die Baugruppenprojektvarianten, aus meiner Sicht sind die so eher der Entwurfs – Aldi unter den Neubauten und passen oft schlecht in die Straßenflucht und „Rest“ Architektur der Bebauung. Oder anders ausgedrückt, einfach mal durch die Gegend spazieren und nachsehen, an welchem Gebäude sich der Blick wegen dessen grandioser Häßlichkeit verfängt. Kurze Recherche – mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit handelt es sich dabei um ein Baugruppenprojekt, also „den Zusammenschluß mehrerer Bauwillige mit ähnlichen Wohnvorstellungen“, wie uninspiriert und seelenlos* die dann auch ihren Ausdruck finden mögen.
Der persönliche Geschmack eines Architekten, der per Projektsteuerung in der Blockbebauung drinhängt, sollte allerdings in Bezug auf Abriß oder Erhalt der Villa weniger entscheidend sein. Manchmal kommt es mir vor, als ob bestimmte Akteure den „Florakiez“ als ganz persönliches Baugruppenprojektexperimentierfeld betrachten. Und wenn ich mir so manches geplante und realisierte Projekt in der Umgebung, z. Bsp. http://www.mrp-berlin.de/ so ansehe fühle ich mich vom entstandenen Straßenbild visuell belästigt. Kein Grün, nirgends. Nur noch Enge und Beton. Bin gespannt, wann die ersten „Investoren“ ihre gierigen Finger nach dem kleinen Friedhof in der Gaillardstraße ausstrecken.
—
* als seelenlos wurde der Entwurf des Baugruppenprojektes p03 in einem Architekturforum diskutiert.
Könnte sein, dass es der bauwütige Senat so will: „276 Hektar sollen nach dem Friedhofsentwicklungsplan des Senats von 2006 mittel- und langfristig aufgelöst, nur 93 der 179 Friedhöfe erhalten werden. Die meisten überflüssigen Begräbnisfelder sollen Grünflächen werden. Doch zunehmend gibt es auch Pläne, Friedhöfe zu bebauen. Die Wohnungsnot lässt viele Stadtplaner umdenken.“ http://www.morgenpost.de/berlin/article111083325/Haelfte-von-Berlins-Friedhoefen-soll-aufgeloest-werden.html
Okay. Und was macht der Senat, wenn es bei den geburtenstarken Jahrgängen an’s Sterben geht? Luxuseigentumswohnungstiefgaragenbestattung?
Ach nee, die Stellplätze reichen ja nicht mal für die Autos der Lebenden.
😉
Da erreicht der Song „blowing in the wind“ eine ganz neue, sozusagen berlinerische, Dimension. Dachterrassen gibt es dann ja wohl genug. Dazu wiederum paßt der Titel hier auch ziemlich gut: http://www.youtube.com/watch?v=9Q7Vr3yQYWQ Gern auch mit Übersetzung: http://www.magistrix.de/lyrics/Led%20Zeppelin/Stairway-To-Heaven-dt-Uebersetzung-91130.html
In Berlin ist es usus das eine Immobilie nur dann Baudenkmal wird wenn der Eigentümer das beantragt.
Alle schutzwürdigen Objekte stehen nämlich aus Sicht der Denkmalpfleger bereits unter Denkmalschutz.
Der Minipark, und nicht die Villa, ist doch das eigentlich Problem, würde dieser aufgegeben oder in anderer Form in das Bauvorhaben integriert würde auch eine ordentlich (also blockrandschließende) Bebauung entstehen.
Und die Villa könnte man dann wahrscheinlich stehen lassen.
Nur es geht den Villa-Rettern ja nicht um die Villa, sondern um den Erhalt des Status-Quo.
Letztlich will man doch kein Neubauprojekt, das ist die Triebfeder.
Egal ob Baugruppe oder Bauträger.
Und den tollen schönen Park, wo kaum einer sitzt, den will man auch behalten, bis in alle Ewigkeit.
Na, Herr Korte, wird es denn unter den geplanten 15 Eigentumswohnungen in der Mühlenstraße 23 auch ausreichend Parkplätze geben oder partizipieren Sie und die potentiellen Eigentümer einfach am Status Quo der inzwischen sehr angespannten Parkplatzsituation?
Lieber Herr Korte,
bitte genauer nachfragen, wenn es um die Ziele der „Villa-Retter“ geht. Es gibt kaum noch Zeugnisse, die das historische Pankow widerspiegeln. Das Grundstück der Villa und einigen wenige Häusern in der Görsch- und Florastraße spiegeln diese erste Bebauung wieder. Diese zu erhalten und mit moderner, aber zugleich visionärer und ökologisch vertretbarer Architektur zu kombinieren, wäre ein Gewinn für den Kiez. Was für Schätze sind Brachen in einer Großstadt! Diese Chance wurde in Pankow verspielt. Man schaue sich mal den Spielplatz in den Floragärten an. Traurig!
Also, moderne Architektur – gerne! Was momentan entsteht, hat in den meisten Fällen keine Vision und ignoriert die Umgebung, in die sich neue Architektur gewinnend einfügen sollte. Von Ökologie keine Rede – oder habe etwas übersehen? Auch Namen wie Floragärten, Palais im Grünen, Himmel und Hölle, nein, Himmel, können darüber nicht hinwegtäuschen.
Hallo liebe Kommentatoren. Dieses Thema beschäftigt mich, mein Umfeld und viele andere Leute doch sehr. Mir persönlich wird auch ganz anders, wenn ich mir die Broschüre zum Bauvorhaben ansehe. Hier wird ein städtebaulich wirksamer Raum mit Baumasse dicht gemacht.
Ob die Villa gefällt oder denkmalwürdig ist, ist m.E. gar nicht so entscheidend. Entscheidend ist für mich der Maßstab der Bebauung, die Qualität der Architektur. Aber dazu später….
Es ist nun mal so, dass es Gesetze gibt. Und wenn auf diesem Grundstück nach Paragraf 34 BauGB gebaut werden darf, sind die Handlungsspielräume gegen so ein Projekt eng. Verzögerungstaktiken und die Bekundungen von Antisympathie bringen mittelfristig nichts. Wenn das Vorhaben im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben realisierbar ist, kommt irgendwann der Bagger und schafft Tatsachen!! Also geht mein Ansatz in Richtung Bauherren und Architekten. Wenn ich mir die gebauten Projekte im Umfeld so ansehe ist die uns umgebende fantasielose Architektur durch Plastikputz und langweilig und spießig wirkende Lochfassaden geprägt. Manches Projekt ist wirtschaftlich so auf Kante genäht, dass das Geld nicht mal für die Fertigstellung des Vorgartenbereiches reicht.
Wie in allen Lebensbereichen wird bis aufs letzte ökonomisch optimiert. Mit dem Unterschied, dass die gebaute Umwelt alle ertragen müssen.
Also Bauherren und Architekten, mehr Baukultur ist doch gefragt…. Ihr tragt die Verantwortung!!!!
Ihren Wunsch verstehe ich gut.
Nur. Ich denke, die Bauherren und Architekten halten das offensichtlich bereits für Kultur, was sie hier hinklotzen. Alles andere ließe ein ziemlich verkommenes berufsethisches Selbstverständnis vermuten. Gier gar. Und das wäre doch wirklich übel.