In dem verglasten Speisesaal sagt niemand ein Wort. Die Menschen haben eine lange Schlange gebildet, die sich um die Holztische und Bierbänke windet. Es ist Punkt 12.45 Uhr und die Glocken läuten.
Dann spricht Bernd Backhaus, seit vergangenem Jahr Leiter der Suppenküche, ein kurzes Gebet. Viele haben die Hände gefaltet und stimmen in das abschließende „Amen“ ein. Auf diesen Moment haben hier alle gewartet. Viele seit acht Uhr in der Früh. Endlich. Essensausgabe. Es ist der letzte Tag im Monat, die meisten haben jetzt noch weniger Geld als ohnehin schon. Und noch größeren Hunger.
Seit 25 Jahren bereitet die Suppenküche an sechs Tagen in der Woche warme Mahlzeiten zu. Am 4. April jährt sich das Jubiläum und wenn eines gleich geblieben ist, dann ist es die Not der Menschen, die in die Wollankstraße kommen. Eine Nonne gründete – unterstützt von etlichen ehrenamtlichen Helfern – unter Trägerschaft des Franziskanerklosters in der Nachwendezeit die Suppenküche. Anfangs kamen 20 Leute, bald schon 100. Heute kommen durchschnittlich 400 Personen zur Essenausgabe.
Für viele die erste Mahlzeit des Tages
Will man den Großteil der Gästeschar beschreiben, dann mit folgenden Attributen: männlich, alt, krank und arm. Es kommen jedoch auch junge Leute, Drogenabhängige, Menschen in psychischen Notlagen oder mit psychischen Erkrankungen, alleinerziehende Mütter. Der Anteil älterer Frauen, deren Rente nicht reicht, um davon ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, nimmt deutlich zu. Kurz: Es kommen all jene, deren Geld nicht reicht, um sich selbst zu ernähren. Oder die einfach beim Essen sparen, um sich auch mal eine Kinokarte oder einen Theaterbesuch im Monat leisten zu können. Die Franziskaner halten ihre Türen für jeden weit offen, aus welchen Gründen er auch immer kommen mag. „Wir fragen nicht, wir geben“, sagt Bernd Backhaus.
Für viele ist der Eintopf am Mittag die erste richtige Mahlzeit an diesem Tag. Entsprechend groß ist der Hunger und entsprechend drängend sind die Bitten, mehr in die Plastikschale zu bekommen. Doch für jeden gibt es im ersten Durchgang eine Kelle, dazu ein belegtes Brot und Salat oder etwas Süßes als Nachspeise. Rosi Skupin die Küchenchefin und die anderen Helfer haben klare Regeln. Ohne handfeste Herzlichkeit und klare Ansagen funktioniert so ein Massenbetrieb nicht.
Alles auf Masse
Massenbetrieb. Was das heißt, das wird in der großen Küche offensichtlich: In Rosis Reich sind die drei 70-Liter Töpfe bis an den Rand voll mit Brühe, Gemüse und Fleischklößchen. Essig und Öl kommt aus dem 10-Liter-Kanister, der Kochlöffel misst einen Meter Länge. In einem Wasch-Bottich liegt der selbst
geschnippelte Salat, weitere zwei Wäschekörbe sind mit selbstgeschmierten Käse- und Wurstbroten gefüllt. Bei den Lebensmitteln achten alle penibel darauf, dass ausschließlich die bestmögliche Qualität in den Speisesaal gelangt. Das Essen kommt von umliegenden Supermärkten, allen voran aus dem an das Grundstück des Klosters angrenzenden Rewe-Markt. Aber auch Bäckereien und Bioläden aus dem Kiez spenden Lebensmittel.
Mehr als reine Essensausgabe
Bis das Essen zu den Gästen kommt, muss stundenlang geschnippelt, geschmiert, gerührt und gekocht werden. Ab 8 Uhr findet sich eine kleine Gruppe ein. Rückgrat der Suppenküche seien die vielen freiwilligen Helferinnen und Helfer, sagt Bernd Backhaus. Darunter: Berufstätige und Studenten, die etwas Sinnvolles in ihrer Freizeit machen wollen und diejenigen, die wegen kleinerer Delikte Sozialstunden ableisten müssen. Hauptsächlich sorgen jedoch Rentner dafür, dass die täglich 400 Portionen bei den Gästen landen. Eine 70-Jährige, die seit zehn Jahren jeden zweiten Sonntag die Stullen schmiert, sagt: „Mich berührt das Schicksal der Menschen jeden Tag aufs Neue. Ich verurteile niemanden und versuche, bei jedem zu verstehen, wie er in diese Lebenssituation geraten ist.“
Zuhören, Verständnis zeigen: Die Suppenküche ist mehr als reine Essensausgabe, für viele ist sie ein Raum der Begegnung und wertvolles Kommunikationszentrum. Wer sein Herz ausschütten möchte, oder wem die Probleme über den Kopf wachsen, für den ist vormittags ein Team an Sozialarbeitern da.
Darüber hinaus bietet das Haus in der Wollankstraße 19 auch eine Kleiderkammer, eine Hygienestation mit Duschmöglichkeiten und eine Sozialberatung wenn es um Behördengänge, Mietbeihilfen, Rechtsbeistand oder Verschuldung geht.
Jubiläumsprogramm im April
Im Jubiläumsmonat April will sich das Franziskanerkloster stärker dem Viertel und seinen Bewohnern öffnen. Dafür sorgt ein buntes Programm, an dem viele Monate gearbeitet wurde.
Dass so viele Menschen Hunger leiden und oft nur diesen einen Ort haben, an dem sie sich willkommen fühlen, ist an sich traurig und kein Grund zum Feiern. Und dennoch. Der Geburtstag sei eine gute Gelegenheit, einmal inne zu halten und Danke zu sagen, meint Bernd Backhaus. Danke an die vielen Helferinnen und Helfer im Kiez und darüber hinaus. Denn ohne Hilfe wäre alles nichts.
Franziskanerkloster Berlin-Pankow
Wollankstr. 19
13187 Berlin
Tel.: 030 / 488396-0
Fax: 030 / 488396-18
Mail: pankow.berlin@franziskaner.de
Infos zum Jubiläumsprogramm: http://franziskaner.net/25-jahre-pankow
Erwähnenswert wäre noch gewesen, dass man dort auch Samstags Vormittag ganz entspannt Klamotten abgeben kann, Parkplätze sind ja nebenan beim Rewe genug vorhanden. Ich bringe dort inzwischen auch die Klamotten meiner Eltern hin. Sonst muss man sich bei einem Vollzeitjob ja Urlaub nehmen bei den Öffnungszeiten der meisten Kleiderkammern. Drogerieartikel werden auch immer gerne genommen. Und der Mann in der Kleiderkammer ist auch superfreundlich.
Super Sache. Ein großer Dank an die Helfer haupt- und ehrenamtlichen Helfer.
Danke für den Hinweis, Blümchen.