Gastbeitrag von Christian Bormann
Seit 2014 blogge ich wöchentlich kurze historische Geschichten rund um das alte Pankow auf pankowerchronik.de. Dabei dokumentiere ich auch die Veränderungen vor Ort und mache dabei nicht selten interessante Funde.
Zu den spannendsten vergessenen Orten gehören die Zeitkapseln in Pankow. Das sind alte versiegelte Amtsgebäude, Fabriken und Wohnhäuser. Eine dieser Zeitkapseln ist ein kleines Wohnhaus in der Gaillardstraße. Das um 1900 gebaute Haus ist stark verfallen. Der Putz beschädigt, die Holzanbauten hängen noch am Giebel, sind stark verwittert und drohen abzustürzen. Die Fenster und Türen wurden von innen vernagelt, das eindringende Wasser hat Wände und Decken teilweise einstürzen lassen.
Interessanter als die in den Abendstunden unheimlich anmutende Fassade ist das innere des Kleinods. Die letzten verbliebenen Dokumenten und Zeitungen im Haus datieren auf den 9. Dezember 1962. Etwa seit dieser Zeit steht das kleine Wohnhaus mit Werkstatt auf dem Dachboden leer. Vor über 20 Jahren war ich das erste mal im Haus. Jetzt hatte ich wieder die Gelegenheit. Von außen gab es keinerlei Anzeichen für Veränderung. Wie damals zwängte ich mich durch das Oberlicht in die Küche. Und da war es. Das Gefühl, nach Ewigkeiten wieder der erste Mensch in einer solchen Zeitkapsel zu sein.
Im Haus hatte sich nichts verändert. Werkzeug, das zwei Jahrzehnte zuvor auf einem Sofa gelegen hatte, lag dort noch unberührt. Neben den Lampen aus den 1960er Jahren und der Biedermeier-Waschbeckenkomode auf dem Dachboden fiel mir dieses mal ein alter Kühlschrank aus den 1950er Jahren auf.
Als Jugendlicher hatte ich den inzwischen antiken Kühlschrank nicht bemerkt. In der Absicht, mir die technische Ausstattung mal genauer anzuschauen, öffnete ich ihn. Behutsam zog ich am Türgriff. Als sich das Schätzchen öffnete, verschlug es mir den Atem. Der Kühlschrank war voll mit originalverpackten DDR-Lebensmitteln. Bohnen, Kirschen, Letscho – einfach alles, was es vor der Wende an Konserven im Glas gab. Auch ungeöffnete Getränke wie Tonic standen im Kühlschrank. Die Lebensmittel waren alle ungeöffnet und stammten aus dem Jahr 1962. Nachdem ich alles dokumentiert hatte, verließ ich das kleine Hexenhaus im Florakiez wieder. Lange wird es wohl nicht mehr stehen.
Interessant! Nur der Tonic sieht mir neueren Datums aus. Wem gehörte denn dieses Haus? Auch mir ist es seit langem aufgefallen und immer wieder laufe ich daran vorbei und frage mich, was damit geschehen wird.
Ja eins meiner Lieblingsobjekte für schöne Fotos 🙂
Das Haus steht zwar lange leer, aber noch nicht so lange, es gibt noch Sachen von 1984 und auch der Tonic ist aus dieser Zeit, denn das gabs 1962 noch nicht. Früher gabs da wohl auch mal Viehzucht auf dem Hof, als noch mehr Grün als Beton hier zu finden war.
Über die Jahre war es auch immer wieder mal ein zu Hause für Füchse und neuerdings habe ich auch einen Waschbären gesehen, diese waren vor Jahren auch schon mal darin zu Hause.
Bleibt zu hoffen das diese kleine Fleckchen ein wenig erhalten bleibt.
Hier mein Beitrag dazu aus dem Jahre 2015: https://youtu.be/9ABwgZ9ozNY
Vielen Dank für den besonderen Beitrag. Das ist genau das Richtige für mich!
Endlich habe ich wieder ein Wohnhäuschen gefunden und werde nun sofort einziehen.
BUHU! Poltergeist wohnt im Florakiez!
Ja wohl genau das richtige für den Poltergeist 🙂 Dann wirds ja ne richtige Einweiungsfeier geben. Getränke sind ja schon da!
Die Daten auf den Getränkeflaschen waren nicht mehr zu lesen. Ja auch mir liegt dieses Haus am Herzen ich habe selbst viele Jahre mit meinen Eltern in der Gaillardstraße 1a gewohnt.
Verfallsdatum der „Jungen Brechbohnen“ war der 14.03.1991 und auch das Glas ,mit den Himbeeren auf dem Deckel, im mittleren Fach mit dem Selbsteingemachten stammt nicht aus DDR Zeiten.
Muss doch zu erfahren sein seit wann genau es leersteht.
Hallo Herr Bormann!
Vielen Dank für Ihren interessanten Beitrag.
Ich wohne auch seit meiner Kindheit im Kiez und kenne das kleine Haus natürlich auch.
In welchem Rahmen hatten Sie denn jetzt die Möglichkeit, dort drinnen zu fotografieren?
Das klingt mir sehr nach „Haus- und Landfriedensbruch“.
Na ja, jeder wie er will…
Ja, besonders „Landfriedensbruch“ 🙂 – eine wirklich schwere Straftat, die der Autor da aus einer Menschenmenge heraus gegen diese Ruine und ihre Eigentümer begangen hat.
Vielleicht zum nächsten Geburtstag mal das StGB wünschen, kann eine sehr interessante Lektüre sein.
Ist zwar keine Zeitkapsel aber auch ein Stück Pankower Geschicht….
In dem Haus spukt es definitiv. Wenn das nicht die Geister des Fuhrmanns Hartwig und seiner Frau sind, die dieses sehr alte Pankower Grundstück scheinbar zu der Zeit bewohnten, als der Friedhof und das Armenhaus gegenüber eingerichtet wurden, dann sind es wohl eindringende Heimatfreunde und Poltergeister. … Omi hatte jedenfalls keine Schraubgläser mit bunten Deckeln zum Einkochen und das Eingemachte kam auch nicht in den Kühlschrank.