Am Mittwoch fand bei herrlich strahlendem Frühlingswetter der angekündigte Demografiespaziergang „Zusammenleben von Jung und Alt“ durch Pankow statt. Die Exkursion wurde im Rahmen der Berliner Stiftungswoche von der Herbert-Quandt-Stiftung angeboten, angesetzt waren vier Stunden Erkundungsreise durch Alt-Pankow.
Die Exkursion mit knapp 20 Teilnehmern startete am S-Bahnhof Wollankstraße, wo bereits Stadtführerin Arja Jacob von berlin locals wartete. Achtzig Prozent der Wohnungen in Alt-Pankow, berichtete Jacob, mussten nach der Wende saniert werden, weshalb die Gegend um die Wollankstraße herum zu einem der größten Sanierungsgebiete Berlins erklärt wurde. Sie sprach über Lückenschluss und Bautätigkeit, sehr zur Freude von Janin, Sonja und Leonie. Die drei studieren Stadtplanung an der TU Berlin und hatten sich in der Projektwerkstatt „Stadt ohne Barriere“ zusammengeschlossen. Nun wollten sie wissen, wie es damit in Pankow aussieht. Sie selbst kommen aus Neukölln und Spandau. Direkt an der Wollankstraße, das aber erst seit Kurzem, wohnt Yasmin, 28. Sie hat ihr Studium der Geographie bereits abgeschlossen und spaziert sowieso gerne mit offenen Augen durch ihre neue Nachbarschaft. Nun war sie besonders gespannt, wie sich das Thema Stadtplanung für Jung und Alt vor der eigenen Tür gestaltet.
Das konnte gleich im Stadtteilzentrum Pankow ergründet werden, wo Juliane Erler durch das verwinkelte, aber komplett barrierefreie Haus führte. Die Leiterin der Freiwilligenagentur stellte außerdem das Angebot hier an der Schönholzer Straße vor, das sich an wirklich alle Altergruppen und Menschen in verschiedenen Lebenslagen wendet. Im Sommer feiert das STZ sein fünfjähriges Bestehen, außerdem soll es noch in diesem Jahr erweitert werden.
Die zwei Seiten des Bürgerparks
Nach einer Stunde ging es wieder raus, dieses Mal auf den Friedhof an der Kreuzstraße. Dort wurden die Gräber der Familie Schulze besichtigt. Sie wurden im Volksmund zu ihrer Zeit auch die „Millionen-Schulzes“ genannt, weil sie am Ende des 19. Jahrhunderts durch Kies und Sand zu einem Vermögen kamen. Daneben steht das Mausoleum von Hermann Killisch von Horn, der Zeitungsverleger. Alles, was heute zum Bürgerpark gehört, war früher sein Garten und Jacob nutzt die große Wiese, um die Bevölkerungsstruktur in Pankow zu erklären. Um den Park herum stehen nämlich sehr viele Seniorenheime, der Park selber ist mit der Anordnung des Spielplatzes und des Rosengartens in inoffizielle Teile gegliedert. Den, für die ganzen jungen Pankower, und jenen, auf der anderen Seite des Cafés, beanspruchen die vielen Alten, die es in Pankow gibt, für sich. „Interessant“, findet das Siegrid. Die 73-jährige stammt aus Berlin, lebte 30 Jahre lang in Westdeutschland und ist nun seit fünf Jahren wieder in Tempelhof. „Ich kenne Pankow gar nicht, bin hier noch nie gewesen“, sagt sie und freut sich, noch in der eigenen Stadt etwas Neues zu entdecken. „An die Ostbezirke taste ich mich langsam heran.“ Aus einem jener stammt Margarete, 78. Die Hellersdorferin ist von der Veranstaltung angetan. „Die Stadtbilderklärerin macht ihre Sache gut und man kommt in dieser Runde so schön miteinander ins Gespräch.“ Eine andere Teilnehmerin kritisierte, dass über die alte Geschichte Pankows geredet wurde, über das, was nach 1991 kam, aber wenig zu der Zwischenzeit.
Nach einer Stunde ging es wieder raus aus dem Park, an der betonierten Fläche an der Kreuzstraße vorbei, zu der Jacob ironisch wie treffend sagte: „Ein Kleinod Pankower Spielplatzkultur“. Sie sprach über den demografischen Wandel, hielt vor einem Baugruppenhaus an der Görschstraße (Neubau in Pankow ist zum Teil auf solche Gruppen zurückzuführen) und am Carl-von-Ossietzky-Gymnasium (Pankow hat die höchste Schülerdichte Berlins, Tendenz steigend. Außerdem: Ossietzky-Affäre). Über die Florastraße (Kinderreich, Leerstand nicht mit dem Anfang der 2000er vergleichbar) ging es zur Mühlenstraße, an der Rückseite der Alten Mälzerei vorbei bis zum Wochenmarkt, der 1854 zum ersten Mal als Dorfmarkt verzeichnet wurde. Anscheinend als Touristenfalle, denn hier deckten sich die vielen Ausflügler aus Berlin mit Verpflegung ein.
Essen? Nur für Männer!
Vor dem Rathaus wurde die Geschichte des Gebäudes angerissen: Der Ratskeller liegt im Dornröschenschlaf, das ganze Gebäude wurde 1903 eröffnet und war vielen in Pankow zu pompös. Am Eröffnungsmahl durften nur Männer teilnehmen, damit die Frauen aber auch etwas davon hätten, durften sie von einem Balkon aus zusehen. Am Mittwoch sprach im taubenblauen Sitzungssaal der aktuelle Bürgermeister Matthias Köhne über die Entwicklung des Bezirks, über Zukunftsaussichten und auch ein ganz klein wenig über die Probleme, die auf Pankow zukommen könnten. Vielleicht lag es am erschöpfenden Spaziergang, vielleicht aber auch am Bürgermeister selbst, eine richtige Diskussion kam zum Ende der Veranstaltung leider nicht auf. Dennoch gingen alle zufrieden nach Hause mit dem Wissen, sehr viel über Pankow erfahren zu haben.
Gleicher Spaziergang, anderes Medium:
Qiez.de: Wer wohnt eigentlich in Alt-Pankow?
Bilder: Quandt-Stiftung & florakiez.de