„Streisand ist kein Künstlername“

Von | 6. Juni 2014
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Lea Streisand

Die Autorin und Lesebühnenbetreiberin Lea Streisand lebt und arbeitet im Florakiez. Mit uns sprach sie über das Leben als Schriftstellerin, ihre neue Radio Eins-Kolumne und darüber, weshalb sie immer die Wahrheit und noch ein bißchen mehr erzählt.

florakiez.de: Du schreibst die Kolumne „Immer bereit“ in der taz, veröffentlichst dort den Versuch eines Romans, wie du es nennst, mit dem Titel „Der Lappen muss hoch“. Dein aktuelles Buch heißt „Berlin ist eine Dorfkneipe“ und jetzt hast du noch eine wöchentliche Kolumne bei Radio Eins. Wie kam es dazu?

Lea Streisand: Das war Zufall und Glück. Christoph Azone von Radio Eins war bei einer Lesung von mir. Er mochte meine Texte und nachher beim Bier haben wir uns über unsere Arbeit unterhalten. Ich habe erzählt, dass ich voll gerne für die taz arbeite. Die zahlen zwar nichts, aber die Zeitung ist toll, ich darf schreiben, was ich will und die Partys machen Spaß. Und dann habe ich zu Christoph gesagt: „Bei Radio Eins die Partys waren auch lustig“. Das wusste ich, weil ich da vor Jahren mal ein Praktikum gemacht habe. „Willst du mich nicht zu Radio Eins bringen?“. Das war vor sieben Monaten.

Und jetzt läuft dort unter dem Titel „War schön jewesen“ die Kolumne mit Geschichten aus der Großstadt. Was das ein großer Schritt?

Oh ja. Am 12. Mai war Premiere. Ich war live im Studio. In der Nacht davor habe ich kaum geschlafen, weil mir plötzlich bewusst wurde: Ach, du Scheiße, da hören dich jetzt eine Viertelmillionen Leute, ohne dass ich auch nur einen davon sehe! Die Kolumne war schon eingesprochen, die kam vom Band. Trotzdem habe ich Blut und Wasser Geschwitzt vor Aufregung.

Wer ist denn auf den Titel gekommen?

Das war die Idee der Redakteure von Radio Eins. Ich war gleich begeistert. Es ist schon anders, fürs Radio zu schreiben. Normalerweise lese ich abends auf der Bühne vor Leuten, die Bier trinken. Montagmorgens trinken die Zuhörer Kaffee oder putzen sich die Zähne und hören nur mit halbem Ohr hin. Darauf muss ich mich einstellen.

In den kurzen Stücken hast du ja einen ganz schönen Berliner Einschlag.

Bei meinen Lesebühnen Rakete 2000 und „Hamset nich kleina?“ berliere ich auch mehr als im normalen Gespräch. Aber „Radio ist wie Hack“, sagen meine neuen Kollegen, „erst ordentlich überwürzt wird’s richtig gut.“ Ich habe ja gerade erst angefangen. Ich feile noch.

Wie hast du denn entdeckt, dass du schreiben kannst und wann, dass du davon auch leben könntest? 

Dass ich schreiben kann, stand schon in der Grundschule fest. Und auf auf meinem Schulzeugnis: „Lea schreibt kleine Geschichten und versucht sich an Gedichten. Dieses Hobby sollte sie mit Unterstützung des Elternhauses fortführen. Versetzt nach Klasse 3“. Nach der Schule habe ich gedacht: Was mache ich bloß? Irgendetwas mit Schreiben? Ich habe angefangen Neue Deutsche Literatur und Skandinavistik zu studieren und nebenbei ungefähr 1001 Praktika im Journalismus gemacht. Davon war ich bald frustriert. Ich habe für Zeitungen gearbeitet, wo sie so in deine Texte eingreifen, dass du am nächsten Morgen vielleicht noch das Thema wiedererkennst und deinen Namen, aber den Text hat ein anderer geschrieben. 2003 habe ich die Lesebühnen entdeckt und bin zum ersten Mal bei den Surfpoeten am offenen Mikrofon aufgetreten. Ich war total aufgeregt, meine Knie haben gezittert, aber meine Stimme blieb fest und am Ende gab es Applaus. Seitdem war ich drin in der Szene. 2008 habe ich beschlossen, keine „Idiotenjobs“ wie im Callcenter oder so anzunehmen. Seit ich meine ganze Kraft ins Schreiben und Vorlesen stecke, reich es plötzlich auch zum Leben.

Wie arbeitest du? Allein oder unter Leuten? Konzentriert oder lenkst du dich zwischendurch ab?

Unterschiedlich. Ich langweilie mich unheimlich schnell. Deshalb mache ich immer mehrere Sachen gleichzeitig. Wenn ich mit einer Idee nicht weiter komme, mache ich etwas anderes. Und manchmal hilft nur aufhören und feiern gehen. Denn wenn ich partout keine Lust habe, eine Geschichte aufzuschreiben, kann sie ja nicht gut werden. Dann lasse ich sie in Ruhe. Dann kommt die Lösung von alleine. Schreiben ist auch loslassen. Manchmal hilft es auch, einfach rauszugehen. Wenn Menschen um mich herum sitzen und ein gewisser Geräuschpegel herrscht, fällt es mir manchmal leichter, mich zu konzentrieren.

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Und zwischendurch bist du immer wieder bei Twitter. 

Twitter ist ein grandioses Hilfsmittel für Textarbeiter. Als Notizblock und Pointenschmiede. Hier schreibe ich Geschichten in Brühwürfelform. Wenn ich mit einem Text nicht weiterkomme, wenn ich im Kopf gegen eine Wand renne, gehe ich zu Twitter oder Facebook. Durch die Konzentration auf etwas anderes wechsele ich die Position, bekommen einen anderen Blick und sehe, dass die Wand vielleicht niedriger ist, als ich dachte, dass sie Türen hat oder dass ich drumrum gehen kann.

In deinen taz-Kolumnen thematisierst du auch häufig den Florakiez. Seit wann lebst du hier und was fällt dir an der Nachbarschaft auf?

Aufgewachsen bin ich im Bötzowviertel. 1986 sind wir in die Hufelandstraße gezogen, weggezogen bin ich 1999, da habe ich Abi gemacht und bin für ein Freiwilliges Soziales Jahr nach Hamburg gegangen. Danach wohnte ich ein paar Jahre am Helmholtzplatz. Als ich 2005 nach Pankow kam, wollte ich eigentlich gar nicht hierher. Pankow war für mich ein ehemaliges Stasi-Viertel, super spießig noch dazu. Spießig ist es immer noch, nur jünger und reicher. Mir fehlt oft eine Durchmischung im Kiez, aber dann finde ich andere Stadtteile wie Friedrichshain laut und stressig und mir gefällt die Ruhe hier. Ich werde ja auch älter. (lacht)

Wenn man aus seiner Nachbarschaft erzählt, dann wird es auch schnell persönlich. Wie schaffst du es persönliche Geschichten zu erzählen und trotzdem nicht gleichzeitig alles von dir preiszugeben?

Für mich persönlich interessiert sich doch keiner. Die Menschen wollen Geschichten, die gut und wahrhaftig sind. Und Wahrhaftigkeit hat nichts mit Wirklichkeit zu tun. Es ist doch völlig egal, ob das, was ich erzähle, wirklich so passiert ist. Wichtig ist, dass es stimmt. Meine Freundin Jacinta Nandi von Rakete 2000 hat das mal so gesagt: „Alle meine Geschichten sind zu 150 Prozent autobiografisch.“ Die ganze Wahrheit und noch etwas dazu.

Hast du deswegen auch den Namen Streisand als Pseudonym gewählt?

Das ist kein Künstlername, ich heiße wirklich so. Der Name kommt vom jüdischen Teil der Familie.

Wann kann man dich denn auf einer Bühne sehen?

Am 6. Juni ist wieder meine Mini-Lesebühne „Hamset nicht kleina?“ im Bänsch an der Bänschstraße im Friedrichshain. Die Bühne ist nämlich so winzig, dass nur ich mit einem Gast darauf passe. Nächstes Mal kommt Paul Bokowski.

Links: 
Lea Streisand bei Twitter, Facebook und radio eins.

 

2 Kommentare zu “„Streisand ist kein Künstlername“

  1. Uwe K.

    Frau Streisand könnte mal im Florakiez auftreten, statt in Friedrichshain, bsw. im Zimmer16 oder im Café Garbaty. Dort würde ich hingehen.

  2. Sara Friedrich

    Lea ist bereits im Zimmer 16 aufgetreten und wird es sicher auch wieder tun.
    Aber bis zum Burger ist es doch auch nicht weit.

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