Interview: „Eine Einladung für Einbrecher“

Von | 29. Juni 2016
Michael Hartrumpf in seinem Büro in der Hadlichstraße

Michael Hartrumpf in seinem Büro in der Hadlichstraße

Werden mit den neuen Doppelstockparkern mehr oder weniger Fahrräder am Bahnhof Pankow gestohlen? Hat die Zahl der Einbrüche zugenommen und was ist wirklich im Ossietzky-Gymnasium passiert? Darüber haben wir mit dem Ersten Polizeihauptkommissar Michael Hartrumpf gesprochen. Als Leiter der Dienstgruppe 2 im Abschnitt 13 ist er zuständig für die Gegend rund um die Florastraße. Ein Interview auf der Wache in der Hadlichstraße.

florakiez.de: Vor anderthalb Jahren haben wir schon einmal mit Ihnen gesprochen, seit dem ist Alt-Pankow weiter gewachsen – mit welchen Auswirkungen auf den Florakiez?

Michael Hartrumpf: Was ich schon damals prognostiziert habe, tritt langsam ein. Der Kiez entwickelt sich durch die Modernisierungen und Neubauten. Es gibt neue Läden und Cafés in der Florastraße, es ist eine ganz andere Kultur entstanden. Es wird ruhiger, denn die etwas besser situierten Menschen können sich hier die modernisierten Wohnungen leisten. Dadurch ist die Zusammensetzung der Bevölkerung eine ganz andere, als beispielsweise im Wedding. Es wird sich noch weiter in Richtung bürgerlich entwickeln.

Hat die Polizei dadurch weniger Einsätze?

Der Florakiez ist nicht „einsatzbelastet“, auch wenn es natürlich immer etwas zu tun gibt. Auch unter wohlsituierten Menschen kommt es zu häuslicher Gewalt, Lärmbelästigung oder anderen Geschichten.

Carl-von-Ossietzky-Gymnasium

Carl-von-Ossietzky-Gymnasium

Einen besonderen Fall gab es Ende April. Im Ossietzky-Gymnasium wurden Schultaschen geplündert und Schlüssel gestohlen…

Das war eine kurze Geschichte. Es waren keine Insider, sondern zwei nichtdeutsche Jugendliche, Südosteuropäer, die sich dort spezialisiert herumgetrieben haben. Sie fielen nicht auf, da sie fast das gleiche Alter wie die Schüler hatten. Insgesamt gab es sechs Taten. Eine Wohnung wurde danach mit einem der gestohlenen Schlüssel geöffnet. Das Diebesgut versuchten die Täter dann zu verkaufen. Die Beiden wurden wenig später in Neukölln festgenommen.

Wie sind Sie auf die Täter gekommen?

(Lacht) Unsere Ermittlungsarbeit führte zu diesem Erfolg, mehr wird nicht verraten.

Ein Problem im Florakiez ist die hohe Zahl von Fahrraddiebstählen, vor allem vor dem Rathaus-Center und den Bahnhöfen. Bei unserem letzten Gespräch haben Sie in diesem Zusammenhang die Unübersichtlichkeit am Bahnhof Pankow kritisiert. Nun sind Doppelstockparker für Fahrräder aufgestellt worden. Wie gefällt Ihnen der Bahnhof jetzt?

Das reicht nicht aus. Unter dem „schwarzen Block“, gemeint ist hier das Gebäude Florastraße/Berliner Straße, ist es weiter unübersichtlich. Aber grundsätzlich gilt: Wer ein Fahrrad stehlen will, der findet seinen Weg. Da ist es egal, ob es Doppelstöcker sind oder ein Gewühle von abgestellten Fahrrädern. Rund um den Bahnhof, der ein wichtiger Knotenpunkt des öffentlichen Nahverkehrs ist, kann mangels Fläche kaum Übersichtlichkeit geschaffen werden.

Es gab das Gerücht, dass die Doppelstöcker nicht sicher sind und jetzt noch mehr Räder am Bahnhof gestohlen werden.

Das kann ich nicht bestätigen. Die Zahlen steigen nur leicht und gleichzeitig werden es immer mehr Fahrräder, die im Umfeld abgestellt werden. Die Zahl der Fahrrad-Diebstähle am Bahnhof Pankow lag 2014 bei etwa 100 Fällen. 2015 waren es rund 120 Fälle und im ersten Halbjahr 2016 sind bisher rund 80 Fälle bekanntgeworden. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr im Florakiez rund 280 Räder gestohlen.

Aus Polizeisicht – ist der Bahnhof Pankow für Sie ein Kriminalitätsschwerpunkt?

Sicherlich nicht! Rund um den S- und U-Bahnhof hatten wir 2015 im ganzen Jahr 145 Anzeigen, keine hohe Zahl für diesen Bereich. 12 Anzeigen pro Monat, das ist für einen echten Verkehrsknotenpunkt, an dem alles zusammenläuft, gar nichts. Das nimmt auch nicht zu. Die üblichen Themen an diesen Orten sind vornehmlich: Diebstähle, Brieftasche in der U-Bahn/S-Bahn gestohlen, Trunkenheitstaten, Körperverletzung und eben eine größere Zahl von Fahrraddiebstählen.

In den vergangenen Wochen war wieder vermehrt von Wohnungseinbrüchen zu hören, ist das ein subjektiver Eindruck oder hat die Zahl tatsächlich zugenommen?

Das täuscht. Obwohl die Zahl der Wohnungen gewachsen ist, stagniert die Zahl der Einbrüche. 2014 gab es knapp 40 Einbrüche, 2015 waren es zwei weniger. Im ersten Halbjahr 2016 ist die Entwicklung ähnlich. Aus polizeilicher Sicht ist das ertragbar, für den betroffenen Bürger jedoch in keiner Hinsicht. Was absolut nachvollziehbar ist.

Und wie ist das bei den Kellereinbrüchen?

Die Zahl der Kellereinbrüche ist im Gegensatz zu den Wohnungseinbrüchen schon anders. 2014 waren es etwa 100 Fälle, 2015 etwa 150 Fälle, bis Mai 2016 haben wir gerade noch etwa 20 Fälle zu verzeichnen. Das ist immer noch hoch, aber die Zahlen sind eher fallend. Das lässt sich durch unsere Präventivmaßnahmen erklären und wir hoffen, diese niedrigen Zahlen beibehalten zu können. In diesem Zusammenhang verweise ich gerne noch einmal auf unseren Flyer zum Schutz vor Kellereinbrüchen. Bei Einbrüchen ist die Aufklärungsquote leider sehr gering. Wir hoffen aber durch die Spurensicherung und DNA-Spuren zumindest später mal jemanden dingfest machen zu können.

Was sind Ihre Tipps für Menschen, die Angst vor Wohnungseinbrüchen haben?

Die Wohnungstür so gut wie möglich sichern. Abschließen. Mit Gimmicks dafür Sorge tragen, dass die Wohnung bewohnt wirkt. Da gibt es flackernde Lampen, die einen Fernseher simulieren oder man kann das Radio laufen lassen. Damit kann eine Menge zur Sicherheit erreicht werden. Schließen Sie die Fenster richtig zu. Zum Lüften geöffnet, oder auch aufgeklappt, sind sie wie eine Einladung für Einbrecher. Seien Sie aufmerksam im Haus unterwegs und achten Sie auf fremde Personen.

Auch Trickdiebstähle in Geschäften hat es gegeben…

Ja, aber auch das hat nicht zugenommen. Es sind meist Südeuropäer, die sich darauf spezialisiert haben. Die Masche ist immer die gleiche. Wir sprechen von sogenannten Abdecktaten. Ganz simpel. Die Täter kommen mit einer Zeitung oder einem Zettel in den Laden. Die halten sie den Geschäftsleuten dann vor die Nase und decken Portemonnaie oder Handy auf dem Tresen ab. Während die mit ihnen reden, ziehen sie unten die Sachen weg. Das geht ruck-zuck. Die streifen einmal durch den Kiez und sind dann wieder woanders. Deswegen haben wir leider kaum Angriffspunkte.

Also nichts offen liegen lassen?

Wer Geschäftsinhaber ist oder ein Büro hat, sollte nichts auf dem Tisch liegen lassen. Auch nicht in der Schublade hinter dem Tisch. Die Täter kennen das und fragen nach einem Glas Wasser. Man ist ja freundlich und bestrebt zu helfen, wandert in die Teeküche und in der Zeit wird ganz kurz die Schublade aufgezogen und schwupps sind die Sachen weg.

Ein ganz anderes Thema ist die Geschwindigkeit auf der Florastraße. Man hat den Eindruck, es wird nie geblitzt.

Doch. Ab und zu wird kontrolliert. Aber durch die dichte Beparkung, die Busse und die Zebrastreifen kann man ja normalerweise kaum schneller fahren als die erlaubten 30 km/h. Ausreißer, die schneller fahren, wird es immer geben. Die können wir nicht einzeln einfangen.

Zum Abschluss: Demnächst sind Wahlen. Gibt es einen Wunsch, den Sie an die Politik haben?

Hadlichstraße 37

Hadlichstraße 37

Ich glaube, die Politik hat inzwischen selbst erkannt, dass wir mehr Stellen brauchen. Das fordern jetzt ja sogar schon die Grünen und das soll was heißen, finde ich und unterstütze diese Gedanken. Aber wir selbst, als örtlicher Polizeiabschnitt, haben noch einen Wunsch: Dass die Wache hier in der Hadlichstraße endlich einen behindertengerechten Zugang, eine Rampe, bekommt. Hier gibt es nur die steile Treppe. Rollstuhlfahrer müssen wir unter freiem Himmel oder bei schlechtem Wetter in der Fahrzeughalle hinter dem Haus bedienen. Das ist nicht schön.

Mit Michael Hartrumpf sprachen Hanno Hall und Cathrin Bonhoff

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Es gibt keinen Ort, an dem Fahrräder sicher sind.

4 Kommentare zu “Interview: „Eine Einladung für Einbrecher“

  1. Chris

    Danke für den Beitrag! Ich habe sehr viel Respekt vor diesem Job, bin aber leider im letzten Herbst auch herbe enttäuscht worden, als ich das Vergnügen hatte, eine Bande Kellereinbrecher im Kiez Brehmestrasse auf frischer Tat zu erwischen. Die Beamten waren wirklich extrem schnell vor Ort (~ 1min) , wirkten dann aber ziemlich resigniert und zynisch obwohl die Täter mit drei Fahrrädern und einigen elektronischen Werkzeugen wirklich erst sehr kurz weg waren. Und obwohl wir zwischenzeitlich bis zu sechs Beamte gleichzeitig im Haus hatten, war von einer systematischen Spurensicherung leider nichts zu sehen. Sehr subjektive Eindrücke und mir ist klar, dass gerade Kellereinbrüche und Farraddiebstähle ein Kampf gegen Windmühlen sind. Aber ich glaube gerade bei diesen häufig auftretenden Delikten wird das Image der Polizei gegenüber dem Bürger entscheidend geprägt.

  2. Max Müller

    Letztes Jahr 120, dieses Jahr voraussichtlich 160, wenn es so weitergeht, das wäre eine 33-prozentige Steigerung.
    Die enorme Dunkelziffer bei Fahrraddiebstählen nicht eingerechnet.

    Das ist eine leichte Steigerung?.

    Von den Drogen hätte ich auch gern welche.

    ab hier Zitat:
    Es gab das Gerücht, dass die Doppelstöcker nicht sicher sind und jetzt noch mehr Räder am Bahnhof gestohlen werden.

    Das kann ich nicht bestätigen. Die Zahlen steigen nur leicht und gleichzeitig werden es immer mehr Fahrräder, die im Umfeld abgestellt werden. Die Zahl der Fahrrad-Diebstähle am Bahnhof Pankow lag 2014 bei etwa 100 Fällen. 2015 waren es rund 120 Fälle und im ersten Halbjahr 2016 sind bisher rund 80 Fälle bekanntgeworden. Insgesamt wurden im vergangenen Jahr im Florakiez rund 280 Räder gestohlen.

  3. Flora85

    Ich habe wirklich Respekt vor der Polizeiarbeit, besonders in Berlin. Leider stimmt die Aussage auf der Florastraße fahren nur die allerwenigsten ausnahmsweise schneller als 30km/h so nicht. Andersherum stimmt das schon eher. Wer direkt an der Florastraßewohnt weiß ganz genau was damit gemeint ist. Geschwindigkeitskontrollen habe ich hier noch nie gesehen. Wann soll das denn das letzte Mal durchgeführt worden sein? Wieviele Raser hat denn die Polizei dabei erwischt? Wenn PHK Hartrumpf mir das durch ein offizielles Protokoll beweisen würde, wäre ich überzeugt.

    Dabei würden Blitzer, entsprechende Fahrbahnmarkierungen und besser einsehbare Verkehrszeichen schon viel ausrichten (obendrein noch billiger als Polizisten abzustellen). Hat das eigentlich die Verkehrslenkung auf dem Schirm?

  4. Poltergeist rettet Florakiez!

    Ich weiß nun Bescheid und werde Herrn PHK Hartrumpf und die Polizei in Alt-Pankow unterstutzen.
    Vielen Dank für die Berichterstattung, Frau Bonhoff und Herr Hall.

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