Ein Schrank, der Wünsche erfüllt

Von | 16. November 2019

Antoanetta Marinov, Schulzestraße 1

An den Wochenenden steht Antoanetta Marinov manchmal mit Stiften und Papier neben ihrem Give-and-Take-Schrank und bittet Interessierte, aufzumalen, was sie gerne in dem Schrank finden würden. Die Wunsch-Bilder klebt sie in den Schrank, der damit immer mehr selbst zu einem Kunstwerk wird. „Einmal hat eine Frau eine Tasche gemalt und – zack – ein paar Tage später hat sie eine rote Handtasche im Schrank gefunden“, erzählt sie. Eine von vielen Geschichten.

Die italienische Künstlerin, die seit 10 Jahren in Alt-Pankow lebt, hat den Give-and-Take-Schrank im Januar 2011 in der Schulzestraße aufgestellt und mit Freunden eingeweiht, die alle etwas mitbrachten. Es war von Anfang an ein Selbstläufer, es brauchte keine Erklärungen. „Ich bin durch eine offene Tür gegangen“, sagt Antoanetta Marinov. Es ist ein Kreislauf, ein ständiges Kommen und Gehen von Sachen und Menschen. Mitarbeiter des Altersheims bringen dort die Sachen von Verstorbenen hin; Erzieherinnen von Kitas nehmen Bücher mit; Eltern tauschen unbekannter Weise Kinderklamotten und manchmal finden sich dort auch kleine Schnapsflaschen und Zigaretten. Manche Pankowerinnen und Pankower nennen das Regal den „Schenker“. Das gefällt Antoanetta Marinov, es erinnert sie an ihren ersten Schrank 2005 in Freiburg zu Studienzeiten, den sie noch den „Geschenker“ nannte.

Ohne Betreuung geht es nicht

Mal sieht es in den Fächern aufgeräumt und ansprechend aus, mal rumpelig und ramschig. Denn es sammelt sich auch viel Müll, kaputte Sachen werden abgelegt, die niemand will und Antoanetta Marinov muss sie entsorgen. Mittlerweile ist sie aber nicht mehr alleine. „Es hat sich eine Art Netz um den Schrank gesponnen“, sagt sie, auch andere räumen auf und fahren Müll weg. Einige von ihnen kennt sie, andere nicht. Viele kommen täglich vorbei, um zu stöbern und etwas Besonders zu entdecken. Andere nehmen gleich alles mit und verkaufen die Sachen dann weiter. Auch das ist für Antoanetta Marinov in Ordnung. Es ist eine Erleichterung und der Schrank füllt sich wieder.

Sie beobachtet das Geschehen als Künstlerin. Das Regal ist für sie ein „offenes Display“, den wir alle als Kollektiv gestalten. Es ist wie eine Skulptur, die sich durch die Gegenstände, die kommen und gehen, ständig verändert. Letztlich geht es um Nachhaltigkeit, um unser Konsumverhalten und die Frage, wie wir mit Sachen umgehen. Was brauche ich wirklich? Warum will ich etwas unbedingt haben, wenn es umsonst ist, wenn ich aber dafür bezahlen müsste, versiegt der Drang unmittelbar? Diese Fragen greift sie einmal im Monat in Gesprächsabenden im Polnischen Sprachcafé in der Schulzestraße auf, finanziell unterstützt von der Stiftung Demokratie Leben. So hat der Schrank jetzt auch noch eine Kiste an die Seite bekommen, wo größere Sachen reingelegt werden können.

Mittlerweile hat sie schon 27 Schränke verteilt, weit weg in Italien und an der Grenze zu Holland, aber auch quasi nebenan im Wedding. Und sie will weitere Geschenke-Schränke aufstellen. Wenn auch Sie gerne einen solchen Give-and-Take-Schrank vor Ihrem Haus hätten, melden Sie sich gerne bei Antoanetta Marinov. Und wenn Sie von einer Wohnung im Kiez wissen, dann melden Sie sich bitte auch, denn Antoanetta Marinov sucht eine.

Ein ständiger Austausch an Sachen (Foto: Antoanetta Marinov)

3 Kommentare zu “Ein Schrank, der Wünsche erfüllt

  1. Antoanetta Marinov

    Vielen Dank, Cathrin. Schön, dass wir an dem Sonntag „hallo“ zu einander gesagt haben!

  2. Christoph

    Eine tolle Idee, die ich auch schon zum Reinlegen und Rausnehmen genutzt habe – ich befürchte jedoch, dass die Kiste neben dem Regal eher als Mülltonne genutzt wird.

  3. Daniel

    Unsere Kinder nenen den Schrank den „Zauberschrank“ und glauben, dass er einen jeden Wunsch erfüllen kann wenn man ganz stark daran glaubt.

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