Während ein Pankower Stadtrat gewählt wurde, geht die unendliche Geschichte um die AfD in die nächste Runde. Die Bezirksverordnetenversammlung Pankow stand am Mittwoch wieder ganz im Zeichen des Streits um den Chefposten im Ordnungsamt und sorgte für reichlich Aufmerksamkeit für die ungeliebte Partei.
Stadtrats-Kandidat Nicolas Seifert räumte erstmals ein, sich in der Sache mit dem Clown „falsch verhalten“ zu haben. Er habe sich provozieren lassen und bedauere den Vorfall. Er garantiere, dass so etwas nicht wieder vorkomme. Im Übrigen sei er als IT-Berater für das Amt geeignet und wolle Pankow lebenswerter machen. Zuvor hatte er den Fraktionen einen Brief geschrieben, um sie von seiner Eignung zu überzeugen. Das Schreiben liegt florakiez vor und kann hier angesehen werden.
Von Rede und Brief ließ sich die Zählgemeinschaft aus Linken, Grünen und SPD aber nicht beeindrucken. Fraktionsvorsitzender Matthias Zarbock erklärte, für die Linke bleibe Seifert unwählbar. Man halte ihn weiterhin für „ahnungslos“. Problematisch sei auch die Diplomarbeit Seiferts, in der er die These aufstellt, in einer Demokratie verkämen Wahlen durch den Einfluss der Massenmedien zu reinen Ritualen. Die im Grünen-internen Rennen um die Nachfolge von Jens-Holger Kirchner gescheiterte Fraktionschefin Daniela Billig sieht das ähnlich. Das Schreiben wirke künstlich-affektiert und sei auf dem Niveau einer Schülerpraktikantin. Der Vorschlag Seiferts, das Ordnungsamt in Zivil Streife laufen zu lassen, erinnere sie an „Big Brother“. Herablassend-unangenehm wurde es bei der Stellungnahme des SPD-Fraktionsvorsitzenden Roland Schröder. Er griff Seifert persönlich an und nannte das Schreiben ein „Täuschungsmanöver“. Die Inhalte seien aus dem Internet zusammenkopiert. Außerdem habe der Lebenslauf von Seifert Lücken. So sei nicht klar, was er in den Sommermonaten des letzten Jahres gemacht habe und ob auch jede Tätigkeit eine bezahlte gewesen sei. In seinen 15 Jahren als IT-Berater habe er 11 Beschäftigungen aufgelistet. Das stehe nicht für Kontinuität. Schröder schloss mit den Worten: „Hier werden Sie nicht gebraucht!“
Seifert bezeichnete die Situation als „Schauprozess“. Weil er das falsche Parteibuch habe, würdige niemand seine beruflichen Erfolge. Er werde nicht fair behandelt und es werde Mist über ihm ausgekippt, obwohl er ein „großes, gutes Herz“ habe.
Auch der 7. Anlauf zu seiner Wahl endete mit einer Niederlage. Nur die sieben anwesenden AfD-Verordneten stimmten für Seifert. Es gab 43 Gegenstimmen bei 2 Enthaltungen. Es ist offen, ob die AfD im März Seifert wieder ins Rennen schickt oder versucht, ihn ins Amt zu klagen.
Glatt über die Bühne ging die Wahl des Nachfolgers von Stadtrat Kirchner. Der neue grüne Mann heißt Vollrad Kuhn und wurde mit der überwältigenden Mehrheit von 43 Stimmen zum Baustadtrat und stellvertretenden Bezirksbürgermeister gewählt.
Der 60 Jahre alte Ingenieur lebt in Prenzlauer Berg, gehört zu den Mitgründern der Grünen in der DDR, arbeitete zuletzt als Energieberater und hat viel Erfahrung in der Berliner Lokalpolitik. Er war bereits Stadtrat in Mitte und Treptow und saß für eine Legislaturperiode im Abgeordnetenhaus. Kuhn will Pankow zum fahrradfreundlichsten Bezirk machen. Der neue Stadtrat plädierte für eine behutsame Nachverdichtung statt Neubau auf der grünen Wiese und will sich dafür einsetzen, dass die energetische Sanierung nicht zur Verdrängung von Mietern missbraucht wird. Das Bürgeramt fällt auch in seine Zuständigkeit. Hier setzt er auf eine bessere IT und die Motivierung der Mitarbeiter.
Aufreger für Eltern und Kinder am Rande: SPD, Linke und Grüne stimmten gegen einen Antrag für die Reparatur von Spielplätzen. Die CDU wollte den Senat auffordern, einen Sonderfonds zu bilden, aus dem alle maroden Spielplätze im Bezirk Pankow instand gesetzt und wieder den Familien zugänglich gemacht werden.
Die nächste BVV-Sitzung findet am 01. März statt.
Es ist sicher noch erwähnenswert, dass die Stimmenzahl, die Seifert auf sich vereinigen konnte, gegenüber allen vorherigen Wahlgängen zurückgegangen ist. Und dies nicht nur deshalb, weil aus der AfD-Fraktion ein Mitglied wegen Urlaubs fehlte. So hatte Seifert quasi als Weihnachtsgeschenk bei der letzten BVV-Tagung immerhin zehn Stimmen und damit zwei mehr, als die AfD-Fraktion stark ist, erhalten. Nachdem aber die Ansagen von Zarbok, Billig und Schröder heute so etwas von eindeutig waren, dass er weder durch sein 50-seitiges Konvolut noch durch seine sitzungsaktuelle Entschuldigung gegenüber der F.D.P.-Verordneten Regel die Zweifel an seiner Eignung zum Stadtrat ausgeräumt hat, hat Seifert anschließend mit einer unfassbar peinlichen Einlassung hoffentlich auch der AfD gezeigt, dass sie einen anderen und vor allem endlich einen geeigneten Personalvorschlag bringen sollte. Wäre Seiferts Entgegnung mitgefilmt und ins Netz gestellt worden, könnte die Heute Show zu machen. Die AfD hat es in der Hand, Seifert nicht weiter zu beschädigen.
der SPD-Fraktionsvorsitzende ist auch nicht gerade ein Sympathieträger…