Der Give-and-Take-Schrank in der Schulzestraße erfüllt keine Wünsche mehr, denn er soll keinen Müll mehr produzieren. So einfach und so traurig ist es.
Immer wieder wurde der Schrank der Künstlerin Antoanetta Marinov von Menschen aus der Umgebung missbraucht, die zu bequem waren, ihre alten Sachen ordentlich zu entsorgen. So landete in dem Schrank nicht nur Brauchbares, wie gut erhaltene Kleidung, Vasen und Bücher, es wurde auch allerlei nutzloser Krempel im und rund um den Schrank abgeladen. Auch ein olles Sofa stand schon neben dem selbstgebautem Regal. Das war seit Beginn so, immer wieder musste Antoanetta Marinov nachschauen, aufräumen und entsorgen. Bekannte und Unbekannte halfen dabei. Anfang Januar gingen jedoch mehrere Beschwerden und Sperrmüllanzeigen beim Ordnungsamt ein, wie uns der Bezirksstadtrat und Leiter der Abteilung Umwelt und öffentliche Ordnung, Daniel Krüger (für AfD) auf Anfrage mitteilte. „So nachvollziehbar und interessant das Ansinnen der Künstlerin mit ihrer Schrank-Aktion ist, waren scheinbar nicht alle Nachbarn im Umfeld von diesem Engagement überzeugt.“ Der rumpelige Anblick störte. Die BSR rückte mehrmals an. Zudem verweist der Stadtrat darauf, dass auch keine Genehmigung eingeholt worden sei, öffentliches Straßenland zu nutzen.
Neun Jahre stand der Schrank in der Schulzestraße. Jetzt ist er weg und Antoanetta Marinov entäuscht. „Menschen, die mit dem ordentlichen Schenken nicht umgehen können; Menschen, die den Blick auf das Schöne nicht fokussieren können, haben dafür gesorgt, dass das Ordnungsamt aktiv werden musste“, schreibt sie auf einem Aushang am Zaun. Das Füreinander sei die Basis des zivilen Lebens. Das freie Schenken als parallele Ökonomie zur Konsumwelt mache enorm Spaß, sodass sie auf den Schrank nicht verzichten möchte. Er soll wiederkommen – sicherer und sauberer. Sie freut sich über Ideen von Unterstützern, wo und wie das möglich sein könnte.
Ob es jetzt sauberer und ordentlicher vor dem Haus in der Schulzestraße 1 wird, ist fraglich. Menschen, die den Schrank vermissen, legen dort weiterhin Sachen ab – auch ohne Schrank.
Ein Wunder, dass das Ganze so lange funktionierte. Denn schon das Weihnachts-Wichteln lehrt, dass die Meinungen darüber, was alt aber zu gebrauchen oder nicht zu gebrauchen ist sehr unterschiedlich sind. Deshalb muss es immer jemanden geben, der den „Markt“ bereinigt und das Nutzbare vom Nicht-Nutzbaren trennt. Diesen Job übernehmen z.B. Gebrauchtwarenhändler, die sich dafür bezahlen lassen.
Wir haben diesen Schrank vom ersten Tag an geliebt und vermissen ihn sehr. Es sollte nicht einen weniger, sondern 1000 mehr davon geben – allein in Berlin! Und eigentlich überall. Wir haben bis zum Schluss viele sehr gute Sachen dort hingebracht und immer nette Menschen getroffen. Ich habe immer überlegt über diesen Treffpunkt ein Buch zu machen, da er wirklich sehr besonders war. Da ging es nicht nur um den Nachhaltigkeitsgedanken, sondern auch um viel Menschlichkeit!!! BITTE BITTE findet einen Weg, dass es diesen besonderen Ort wieder geben wird.
Es ist doch relativ einfach, den Schrank wieder zu aktivieren: Einfach selber den Standort und den Schrankinhalt regelmäßig pflegen, so dass dort nichts vermüllt.
Berlin ist eben kein Dorf, auf dem soziale Kontrolle funktioniert. Der Vorteil der Stadt, die Möglichkeit zu Anonymität, ist eben manchmal auch ein Nachteil. Hinzu kommt: Die unzureichende staatliche Kontrolle durch Polizei und OA sowie die unzureichende Strafverfolgung von Delikten (u.a. auch bei verkehrsgefährdendem Verhalten) fördert asoziales Verhalten, d.h. Sozialkapital geht verloren. Aus der Entwicklungszusammenarbeit ist bekannt, wie schwer es ist, dieses Sozialkapital wieder aufzubauen. Mit wohlmeindenen Appellen kommt man da nicht sehr weit.