Tagesspiegel und rbb hatten geladen und rund 1.000 Menschen waren gekommen. Auf der Bühne der voll besetzten Urania diskutierten am Dienstagabend der selbst ernannte Tegel-Retter Sebastian Czaja (FDP) mit dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller (SPD) und der grünen Wirtschaftssenatorin Ramona Pop. Außerdem zu Gast: der Spandauer CDU-Mann Matthias Brauner und Verfassungsrechtler Helge Sodan (ebenfalls CDU).
Die muntere Diskussion, moderiert von Tagesspiegel-Chefredakteur Lorenz Maroldt und der Leiterin „Aktuelle Magazine“ im rbb Anna Kyrieleis, erbrachte folgende Erkenntnisse:
- Die Tagesspiegel-Leser und rbb-Zuschauer sind ein spezielles Publikum: Sehr viele Ehepaare mittleren Alters, mehrheitlich graue Haare, zu 99 Prozent deutsch. Die eine Hälfte findet Tegel toll, die andere sehnt die Schließung herbei.
- Michael Müller kann leidenschaftlich sein. Das Thema Tegel scheint den Bürgermeister wachgerüttelt zu haben. Er hat in der Diskussion eine überraschend gute Figur gemacht und Czaja den Schneid abgekauft.
- Womit wir beim Thema Sebastian Czaja wären. Der ist – mit Verlaub – ein Tiefflieger. Seine Pro-Tegel Argumente beschränken sich darauf, dass der BER in ferner Zukunft vielleicht irgendwann einmal zu klein sein könnte und dass man mit dem Auto möglicherweise nicht so gut hinkommt. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Czaja selbst nicht glaubt, was er da erzählt. Tegel ist ihm eigentlich genauso egal, wie das Schicksal der Fluglärm-geplagten Anwohner. Es geht ihm bei dem populistischen Budenzauber gar nicht um den Flughafen, sondern um Sebastian Czaja und darum, die tot gesagte FDP wieder zum Leben zu erwecken. Und das, muss man neidlos zugeben, ist ihm gelungen. Vielleicht ist er trotzdem ein netter Kerl.
- Die Juristerei ist kompliziert. Folgt man Professor Sodan, könnte Tegel theoretisch, vielleicht, möglicherweise doch irgendwie offen bleiben. Das Verfahren wäre aber langwierig, kompliziert und ungewissen Ausgangs. Außerdem ginge es nicht ohne die Kooperation Brandenburgs und auch nur, wenn der unbedingte politische Wille dafür da wäre.
- Ramona Pop liest florakiez und zitiert aus unserem „Mexikaner-Text“. Siehe unten.
Wer sich selbst ein Bild machen möchte – bitte sehr (los geht es in Minute 19):
Unbedingt auch lesen:
Tegel retten und die Mexikaner dafür zahlen lassen
Nützliches zum Thema Fluglärm:
Ist Pankow der Fluglärm egal?
Keine Lärmschutzzone: Ohren zu und durchhalten
Messergebnisse im Internet: Grüne und rote Punkte zeigen den Geräuschpegel
Start nach Westen oder Osten: Ja, wie fliegen sie denn?
Flugbewegungen live: Was fliegt denn da über der Florastraße?
Ich bin zwar des Themas Tegel in diesen Wochen überdrüssig, aber diese fünf feinsinnigen Erkenntnisse zauberten mir ein breites Lächeln ins Gesicht. Journalismus kann erfreuen.
Mein ganzes bisheriges Leben in der Pankower Flugschneise lebend und gerade wieder alle anderthalb Minuten leidend hoffe ich seit Jahren, daß ich die Schließung noch erleben werde…
Ich kann Jutta oben nur zustimmen.
Großartiger Journalismus, Herr Hall in Bestform!
Kompliment und vielen Dank!
Sehr interessant!
Lt. den Ausführungen von Prof. Dr. Helge Sodan ist der Weiterbetrieb von Tegel möglich wenn die Landesregierung von Brandenburg im ersten Schritt sich einer Offenhaltung von TXL nicht widersetzt um z.B. betroffene BER-Anwohner vom Fluglärm usw. zu entlasten.
Im weiteren Verlauf müsste ein Landesplanungsvertrag mit einer Frist von drei Jahren zum Jahresende gekündigt werden usw. Dieses könnte beispielsweise aus Berlin heraus passieren falls ein „Ja“ am Sonntag das Ergebnis ist …..> weiter gehts im Video 😉
Wen den juristischen Zusammenhang verstehen möchte sollte sich das Video ab Minute -36:40 bis -19:40 (rechts neben dem Lautsprechersymbol) ansehen. Das erste mal das ich so etwas politisch neutral erklärt bekommen habe.
Danke florakiez.de, dass ihr weiterhin geduldig vernünftige Worte und Argumente findet im jetzigen Volksentscheiddesaster, welches dem Flughafendesaster die Krone aufsetzt. Was für ein katastrophales Berliner Gewurschtel …