Monats-Archiv: März 2015

Kiezgesicht: Jürgen Trittin

Hier stellen wir in loser Folge bekannte Gesichter aus dem Florakiez in Pankow vor. Menschen, die jeder von uns schon einmal gesehen hat, die zu unserer Gegend gehören wie der M27er-Bus. Diese Woche hat Jürgen Trittin auf unsere Fragen geantwortet. Der ehemalige Umweltminister und passionierte Jogger über steigende Mieten, neue Vielfalt und darüber, was er hören wird, wenn Tegel endlich zu ist.

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Jürgen Trittin im Pocketpark in der Florastraße

 

Funktion: Bundestagsabgeordneter für Bündnis 90/Die Grünen, Bundesumweltminister a.D.

Seit wann im Kiez? Ich lebe seit 1999 in Pankow und bin innerhalb des Florakiezes 2004 umgezogen.

Mag am Kiez: Ich bin hierher gezogen, weil ich einen Ort suchte, an dem ich eine gute dreiviertel Stunde im Grünen laufen kann, ohne Kreise zu drehen, und an dem ich dennoch in der Stadt bin. Der Florakiez mit seiner Übergangslage zwischen Wedding und Pankow ist eine Brücke zwischen Ost und West – auch wenn ich neulich ertappt wurde, dass ich im Zusammenhang mit Charlottenburg von Westberlin sprach. Es ist spannend zu beobachten, wie Pankow sich verändert. Wir haben es mit einem Gentrifizierungsprozess zu tun, im Guten wie im Schlechten. Zum  Schlechten gehört der Anstieg von Mieten und Preisen, der es wirtschaftlich Schwächeren schwierig macht, hier zu leben. Dafür haben sich die Nazis, die mit ihrem offenen Auftreten 1999 noch eine echte Bedrohung waren, verzogen. Ich wünsche mir, dass es noch weiterhin so viele und auch mehr Wohnungen in Genossenschaftshand gibt. Das ist eine Bremse für die Gentrifizierung. Auf der anderen Seite sind viele neue Menschen hierher gezogen, der Kiez hat sich verjüngt und ist vielfältiger geworden. Es gibt neue Läden und Kneipen. Das ist sehr schön.

Ist genervt von… natürlich von Tegel, und je schöner das Wetter, je näher der Sommer, umso mehr. Von Airberlin, die sich an kein Nachtflugverbot halten, und dem Senat, der das zulässt. Dahinter verblasst, dass mensch zur Zeit die S-Bahn nicht nutzen kann, der M27 nach dem Bockprinzip fährt, manche Schlaglöcher für Radler gemeingefährlich sind, der aufgerissene Fußweg in der Florastraße immer noch nicht gepflastert und so für Rollifahrer unpassierbar ist. Schade ist, dass manche Baugruppe eine so einfallslose Architektur pflegt, dass mensch den Großinvestor der Floragärten für seine Fassadengestaltung loben möchte.

An dem Tag, an dem Tegel schließt,… Grillen auf dem Balkon und dabei Nouvelle Vague hören.

Wenn nicht im Florakiez, dann möchten ich am liebsten leben…in Sóller in der Tramuntana.

Wünscht sich, …ein, zwei interessante Restaurants – irgendwann wollen doch auch die jungen Eltern nicht immer ins Kinder-Café.

Weinrebell in der Florastraße

Auch eine Terrasse wäre möglich

Hier werden bald auch draußen Tische stehen

Es wurde schon lange gemunkelt, dass in die Räume der ehemaligen Bäckerei an der Florastraße Ecke Görschstraße ein Weinladen einzieht. Doch es passierte nicht viel, zwischenzeitlich wurden Handwerker gesichtet, die schnell wieder verschwanden. Jetzt, nach fast anderthalb Jahren Leerstand, ist klar, es stimmt! Am 30. April eröffnet in der Florastraße 15 der „Weinrebell“. Dahinter steckt Jan N. zusammen mit seiner Schwester und seiner Mutter. Der gebürtige Friedrichshainer wohnt seit 2010 im Kiez und hatte schon lange die Idee eines Weinladens mit Bistro. Als die Bäckerei Ende 2013 aufgab, sah er seine Chance gekommen.

Aber braucht der Florakiez wirklich noch ein weiteres Weinfachgeschäft? Die Konkurrenz ist dem 35-jährigen Diplomkaufmann, der aus dem Einzelhandel kommt, durchaus bewusst. Mit Achtung spricht er von dem gut ausgewählten Sortiment der anderen, wie Wichelhaus und Jacques´ Weindepot. Er sei eben auch einer dieser „Verrückten“; denn Weinhandel betreibe man aus Leidenschaft, nicht, um damit reich zu werden. Aber N. will sich auch abgrenzen. Während die anderen „Alles“ verkaufen, oder nur Italienisches, wie das No Solo Vino, beschränkt sich der Weinrebell auf deutschen Wein – nachhaltig produziert, vorzugsweise von jungen Winzern, die Familie N. persönlich kennt und – ganz wichtig – zu günstigen Preisen. Die Zeit sei abgelaufen, in der eitle Typen völlig überteuerten Wein feierten. Auf der Internetseite heißt es knackig: „Bester Stoff, sonst nichts“.

Im Weinrebell kann man sich also bald durch Deutschlands Weinanbaugebiete probieren und von zertifizierten Weinberatern den passenden Tropfen für das nächste Essen empfehlen lassen. Doch geplant ist mehr als ein Geschäft, der neue Laden wird zugleich auch Bar, Bistro und so etwas Ähnliches wie ein Café mit selbst gebackenem Kuchen. Zudem werden herzhafte Kleinigkeiten wie Antipasti, selbstgemachte Suppen, Salate und Käseteller angeboten und das täglich von 12 Uhr bis Mitternacht. Die Florastraße bekommt also eine weitere Alternative zum Ausgehen. Und das Schöne: Die mit roten Steinen angedeutete Terrasse wird auch als solche genutzt –  für einen Kaffee in der Nachmittagssonne oder ein Glas Wein an einem lauen Sommerabend.

Weinrebell
Florastraße 15
Geöffnet täglich von 12 bis 24 Uhr
www.weinrebell.com

Eröffnung am 30.April ab 12 Uhr
Die Einnahmen am Eröffnungstag gehen komplett an die Deutsche Kinderkrebsstiftung, konkret an das „Waldpiratencamp“ bei Heidelberg.

Weinrebell-colorMehr zum Thema:
Eine Ecke mit Potential

 

Aus der BVV: Schulden und Zwangsumlenkungen

Die Bezirksverordnetenversammlung Pankow hat sich am Mittwoch mit überwiegend nicht Florakiez-relevanten Themen befasst. Bei schönstem Frühlingswetter dominierten vor vielen Zuhörern die umstrittenen Bebauungspläne für die Elisabeth-Aue bei Blankenfelde und die Sorgen der Bewohner im Thälmann-Park, wo ebenfalls gebaut werden soll und über 170 Parkplätze zu verschwinden drohen.

Wichtiges in aller Kürze:

  • Pankow hat im vergangenen Jahr einen Überschuss von 5,6 Millionen Euro erwirtschaft. Das ist das zweitbeste Ergebnis der Berliner Bezirke. Die Summe fließt komplett in den Schuldenabbau. Bezirksbürgermeister Matthias Köhne zeigte sich zuversichtlich, dass der Doppelhaushalt 2016/2017 der letzte im Zeichen von Verbindlichkeiten und Pankow 2018 schuldenfrei sein wird.
  • Baustadtrat Jens-Holger Kirchner dementierte Presseberichte, er lege sich beim geplanten Krieger-Projekt Pankower Tor quer. Vielmehr habe er lediglich die bestehenden Probleme geschildert. Knackpunkt sei weiter die Verkehrsplanung. Der Senat halte bisher an den alten Plänen zum Bau eine neuen Straße entlang der Granitzstraße mit einer Brücke über die Berliner Straße bis zur Mühlenstraße fest. Das gelte es zu verhindern.
  • Die Grundschulen in Alt-Pankow sind der Zahl der Erstklässler nicht gewachsen. Bildungsstadträtin Lioba Zürn-Kasztantowicz sagte, die Entwicklung für die kommenden Jahre mache ihr „extrem große Sorgen“. In Alt-Pankow und Pankow-Süd werde es bei den ABC-Schützen in diesem Sommer zu sogenannten Zwangsumlenkungen kommen. Das bedeutet, dass Kinder nicht in der Einzugsschule unterkommen, sondern woanders untergebracht werden müssen. Bei den Oberschulen und Gymnasien sei die Lage weniger dramatisch.

Die nächste Sitzung findet am 6. Mai statt.

Viele schöne Eckhäuser

An den Reaktionen auf den Beitrag über die aus meiner Sicht missratene Ecke Heynstraße/Brehmestraße lässt sich ablesen: Die Geschmäcker sind verschieden. Grund genug, noch einen draufzulegen. Denn wie ich finde, gibt es im Kiez einige gute Beispiele für gelungene Eckhäuser. Selbstbewusste Häuser, die etwas aus der „Situation Ecke“ machen und die Gegend schmücken. Und ja: Ob man Kondor Wessels gut findet oder nicht, die Floragärten sind auch dabei. Wieder ganz subjektiv und ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

Ein Neubau für Kreative oder Ärzte

Hier soll das Haus entstehen

Das Grundstück

Ganz am Rand des Kiezes, kurz vor dem Wedding, soll ein neues Haus gebaut werden. Das Vorhaben in der Wollankstraße 101 unterscheidet sich von den anderen Bauprojekten rund um die Florastraße. Es entstehen (fast) keine Eigentumswohnungen, es gehen keine Parkplätze verloren und das zwischen der viel befahrenen Straße und der S-Bahn eingeklemmte Grundstück ist mehr Schmuddelecke als wertvolle Freifläche.

So soll das Haus aussehen

So soll das Haus aussehen

Die aus zwei Architekten bestehende Koch+Söllner Wollankstraße 101 GbR will eine Gewerbebaugruppe verwirklichen, die entweder auf den Namen „Les Ateliers Nouveaux“ oder „doc house“ hört. Ob das Gebäude ein Ärztehaus oder eine Kreativhaus wird, steht noch nicht fest. Im Erdgeschoss soll es eine Ladenfläche für einen Biomarkt oder eine Apotheke geben, in den Stockwerken 1 bis 3 könnten 150 qm große Ateliers für Architekten, Fotografen oder Designer entstehen oder eben Arztpraxen. Die lichte Raumhöhe beträgt stattliche 3,40 Meter.

Im Dachgeschoss wird es dann doch eine Eigentumswohnung mit rund 100 qm Wohnfläche, 50 qm Terrasse und Weitblick geben. Eine Tiefgarage ist nicht geplant. Zwischen dem Haus und den S-Bahn-Bögen bleibt ein Streifen frei. Hier soll im Rahmen des Mauergrünzugs irgendwann ein Weg zum Nassen Dreieck angelegt werden.

Die Baugenehmigung für das neue Haus ist bereits erteilt. Die Initiatoren suchen jetzt nach passenden Mitstreitern. Der erste Spatenstich könnte im Herbst 2015 erfolgen und die Fertigstellung Ende 2016. Für das Grundstück gab es bereits 2012 Pläne, das Bauschild ist inzwischen zugewachsen. Eine andere Baugemeinschaft wollte ein „Dschungelhaus“ mit Wohnungen und einem in das Haus integrierten Garten verwirklichen, ist aber in der Gründungsphase stecken geblieben.

Fundstück: Keine Spiele

Gesehen in der Wollankstraße

Gesehen in der Wollankstraße

Die BVG hat als landeseigenes Unternehmen für Olympia getrommelt. Auch Bezirksbürgermeister Matthias Köhne war Feuer und Flamme für eine Bewerbung Berlins – im Gegensatz zu manch einem Kiezbewohner.

Keine Entspannung an den Grundschulen im Kiez

An der beengten Situation in den Grundschulen im und um den Kiez wird sich auch zum neuen Schuljahr nach den Sommerferien nichts ändern. Die Zahl der Neuanmeldungen sei im Saldo ungefähr so hoch, wie beim letzten Mal sagte Schul-Bezirksstadträtin Lioba Zürn-Kasztantowicz gegenüber florakiez. Einige Entlastungsmaßnahmen, wie die zwölf Unterrichts- und sechs Teilungsräume in neuen modularen Fertigelementen neben der Mendel-Grundschule, bringen da nur wenig Entlastung. Ebenso wie eine geplante Erweiterung in gleicher Größenordnung in der Klecks-Grundschule, die wahrscheinlich Ende des Jahres realisiert wird.

Mit Containerlösung kaum noch was zu tun: Modularer Ergänzungsbau an der Mendelschule

Links der modulare Erweiterungsbau, rechts das Hauptgebäude der Mendelschule

Keine Container: Modularer Ergänzungsbau an der Mendelschule

Dem Container-Stadium sichtlich entwachsen

Platz in der Einzugsschule im Florakiez wohl sicher

Immerhin, es gibt auch eine gute Nachricht. Wer im Einzugsgebiet einer Schule im Florakiez (Arnold-Zweig- und Elisabeth-Shaw-Grundschule) wohnt, wird dort wohl auch einen Platz kriegen: „Wir gehen davon aus, dass es dort in diesem Jahr keine sogenannten „Zwangsumlenkungen“ geben wird, dass also Kinder aus einem Einschulungsgebiet in ein anderes geschickt werden müssen“, so Zürn-Kasztantowicz. Das war im Vorjahr anders. Damals wurden Kinder aus dem Einzugsgebiet der Elisabeth-Shaw- an die Mendel-Grundschule umgeleitet. Zu Chancen von Umschulungsanträgen will der Bezirk sich zu diesem Zeitpunkt nicht äußern.

Auch an der Klassengröße kann der Bezirk nicht beliebig drehen, die ist für Erstklässler bei 26 Kindern gedeckelt. Aber die Raumnot wird sich wohl weiter verschärfen. So fällt beispielsweise laut Elternvertretung bei der Arnold-Zweig-Grundschule durch eine neue erste Klasse dieses Schuljahr ein weiterer Hortraum weg.

Keine kurzfristigen Zusatzkapazitäten in Sicht

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Das Areal für das Projekt Pankower Tor

Wie im Vorjahr verweist die Schulstadträtin auf Verzögerungen beim Pankower Tor: „Schlimm für uns ist, dass die großen Entwicklungsvorhaben, wie zum Beispiel die Bebauung des Geländes am Rangierbahnhof  Pankow nicht voran kommen“, so Zürn-Kasztantowicz. So könne sie auch nicht die zugehörige Schulplanung vorantreiben, die Alt-Pankow deutlich entlasten soll. Zwar seien dort für eine vierzügige Grundschule und eine eben so große Integrierte Sekundarschule die Investitionen schon genehmigt. Baubeginn sei aber frühestens 2019.

Hintergrund ist, dass das neu geplante Viertel am Pankower Tor mit Wohnungen, Einkaufszentrum und Schulen lange zwischen Senat, Bezirk und Investor Krieger umstritten war. Zwar gibt es mittlerweile eine Einigung auf Eckpunkte, die Planung ist aber längst nicht abgeschlossen.

Update (27.03.2015): In einer früheren Version haben wir unter Berufung auf Bezirksstadträtin Zürn-Kasztantowicz geschrieben, es werde in Alt-Pankow wohl keine Zwangsumlenkungen geben. Wir hatten unsere Anfrage für Alt-Pankow gestellt. Zumindest bei der Antwort zu Zwangsumlenkungen hat sich der Bezirk aber nur auf den Florakiez bezogen. In anderen Teilen von Alt-Pankow wird es wohl zu Zwangsumlenkungen kommen.

Schwarzer Tag für die weiße Villa

Die Villa vor ihrem letzten Frühling?

Das Grundstück in der Florastraße 86 ist verkauft und das Bezirksamt hat einen positiven Bauvorbescheid erlassen. Damit ist klar: Die Fläche kann prinzipiell bebaut und die weiße Villa abgerissen werden. Der Denkmalschutz hatte den Daumen schon vor einigen Wochen gesenkt.

Ein Vorbescheid ist keine Baugenehmigung, aber eine wichtige Etappe auf dem Weg dorthin. Das Dokument klärt die planungsrechtliche Zulässigkeit eines Vorhabens. Auf dieser Basis können die aktuellen oder künftigen Besitzer des Grundstücks einen Bauantrag einreichen.

Der Vorbescheid sieht allerdings Änderungen an den bisher bekannt gewordenen Plänen vor. Aus Rücksicht auf das gegenüberliegende, unter Denkmalschutz stehende Haus an der Florastraße 12, muss der geplante Neubau geringfügig abgespeckt werden: Entlang der Straße sollen nur vier Obergeschosse entstehen, aber kein Dachgeschoss. Auf dem hinteren Teil des Grundstück bleibt es bei den ursprünglich vorgesehenen vier Obergeschossen plus Dachgeschoss.

Eine Baugruppe hat das Grundstück gekauft. Sie sucht seit geraumer Zeit nach Mitstreitern, will die Villa abräumen und durch ein großes Mehrfamilienhaus ersetzen. Selbst wenn das Vorhaben noch scheitern sollte, würde das die Lage für die weiße Villa nicht besser machen. Beim Bezirk haben nämlich schon weitere Interessenten vorgesprochen, die im Zweifelsfall an die Stelle der Baugruppe treten und die jetzige Bebauung ebenfalls abreißen würden.

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