Christian Badel zeichnet den Florakiez (13)

Von | 11. Juni 2018

Florastraße 8

Illustrator, Dozent und Kiezgesicht Christian Badel ist oft mit Zeichensachen rund um die Florastraße zu sehen. In loser Folge porträtiert er an dieser Stelle die Häuser im Kiez – die pompösen und die schönen, die alten und die neuen, die unscheinbaren und die unansehnlichen.

Die Nummer 8 ist ein echter Dinosaurier zwischen den frisch renovierten und neu gebauten Häusern der Florastraße mit den explodierenden Mietpreisen. Das Haus hat durch die bisher nicht stattgefundene Renovierung eine unverwechselbare Patina. An vielen Details der Fassade sind einzelne Zeitabschnitte ablesbar, da diese mindestens 50 Jahre unverändert geblieben ist.

Grau in verschiedenen Schattierungen und warmen und kalten Farbtönen brauchte ich vor allem für diese Hausfassade. Einzelne Farbkleckse waren für das Graffiti und die Büsche in der Waschbetoneinfassung der beiden kleinen Vorgärten nötig. Selbst die Bewohner scheinen sich dem Grau mit farblosen Gardinen und sparsamer Balkongestaltung fast ohne Farben anzupassen. Von den Bombenschäden des Zweiten Weltkrieges fast unberührt und nach Kriegsende notdürftig verputzt, scheint in der Florastraße 8 die Zeit stehengeblieben zu sein. Bis vor einigen Jahren fegte dort ein alter Mann im Blaumann und Schiebermütze regelmäßig den Gehsteig und mit einem uralten Fahrrad gehörte er zum Straßenbild und schien ebenso aus der Zeit gefallen.

Auf dem Dach des Hauses sieht man heute funktionslose Antennen zum Empfang der Fernsehkanäle aus West und Ost. Die Antennenkabel verlaufen sichtbar über die Fassende zu den einzelnen Wohnungen oder baumeln in der Luft.

Auffällig an der Fassade sind einige hell verputzte runde Löcher unter einigen Fenstern. Dort befanden sich die Entlüftungshauben der Gasaußenwandheizer. Eine für die damaligen Verhältnisse sehr komfortable Heizungsform in den 80er und 90er Jahren der DDR. Wenn man genau hinsieht, kann man auf der rechten Seite noch eine der schwarzen Abdeckhauben ausmachen.

Im ersten Obergeschoss, der Beletage, kann man noch dunkle Metallhalterungen erkennen. Vermutlich handelt es dich um Befestigungen von Fensterläden oder Einsteckhülsen für Fahnen, die zu sozialistischen Feiertagen an vielen Gebäuden angebracht wurden. Am Sims zwischen Erdgeschoss und erster Etage befinden sich Eisenhaken, die vermutlich ein Firmenschild gehalten haben.

Im Erdgeschoss befinden sich Gewerbeeinheiten, die von Pankower Künstlern als Ateliers genutzt werden. Im großen Fenster auf der linken Hausseite sieht man oft Becher mit Pinseln stehen. Manchmal kann man die Künstler darin auch an der Staffelei an großformatigen Bildern arbeiten sehen. Bei genauerer Betrachtung dieses Fensters im Erdgeschoss fällt auf, daß es neueren Datums sein muss. Vermutlich war hier ursprünglich eine Durchfahrt zum Gewerbehof oder zum Werksgelände, von der mir ein Hausbewohner erzählte.

Im Hinterhof befindet sich ein kleiner Garten, der von den Hausbewohnern gemeinschaftlich genutzt wird. Mit seiner Üppigkeit bildet er einen starken Kontrast zu grauen Vorderseite des Hauses. Eine alte Grundstücksmauer ist die Sichtsperre auf die dichte Bebauung der direkt dahinter liegenden Floragärten. Lediglich an einer Stelle ist die Mauer neu. Hier fiel ein Stück einfach eines Tages um. Nicht 1989, sondern im Rahmen der umfangreichen Bau- und Erdarbeiten in der Nachbarschaft. Auch die Wände des Hauses reagierten auf die Bautätigkeiten. Es bildeten sich fingerbreite Risse und die Fensterrahmen verzogen sich.

In der Florastraße 8 waren verschiedene Firmen zu Hause. Unter anderem eine Hutformenfabrik und die Fabrik Elastischer Glühkörper A.G., später die Steatit-Magnesia AG mit dem Dralowid-Werk, auch als Keramisches Werk bekannt. Da die Fabrik im Zweiten Weltkrieges am Bau von Teilen für das Raketenprogramm der „Wunderwaffe V2“ beteiligt war, wurde die Anlage am 12. März 1945 gezielt bombardiert. Einige wenige Bauten blieben erhalten und wurden dann zum VEB-EKB (Volkseigener Betrieb Elektrokeramik Berlin). Nach den wirtschaftlichen Veränderungen im Osten Deutschlands wurde der Betrieb dann durch die Treuhandanstalt mit der Auflage verkauft, mindestens fünf Jahre lang die 131 Dauerarbeitsplätze zu erhalten. Trotz guter Auftragslage wurde des Betrieb dann geschlossen und die letzten 35 Mitarbeiter entlassen.

Heute befinden sich auf dem gesamten Betriebsgelände Wohnbauten der Floragärten, die Fabrikgebäude sind den Neubauten gewichen und kaum noch etwas erinnert an die Vergangenheit. Im Museum Pankow wurden einige Stücke aus der Produktion gesichert.

Wer ein Bild kaufen oder in Auftrag geben möchte, kann Christian Badel auf der Seite www.kikifax.com und bei Facebook besuchen. Inzwischen wurde auch eine Postkarten-Serie aufgelegt. Die Motive sind in der Buchdisko, im Buchsegler, bei Pankerad, im Fotostudio ISO25 sowie im Café Schönhausen erhältlich.

Mehr aus der Reihe
Teil 1: Florastraße 84
Teil 2: Florastraße 75
Teil 3: Florastraße 96
Teil 4: Florastraße 11
Teil 5: Florastraße 34
Teil 6: Florastraße 74
Teil 7: Florastraße 15
Teil 8: Florastraße 90
Teil 9: Florastraße 88
Teil 10: Florastraße 10
Teil 11: Florastraße 2
Teil 12: Florastraße 37

Christian Badel

Arbeitet als Zeichner und Autor für Zeitschriften, Magazine, Werbeaufträge, die Kinderseiten von Tages- und Wochenzeitschriften und als Illustrator für verschiedene Verlage.

Ein Kommentar zu “Christian Badel zeichnet den Florakiez (13)

  1. Daniela

    ein gelungener Auftritt. *
    Schön, wenn man sein Können so präsentieren kann 😉

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